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"Ein Volksfeind" von Henrik Ibsen - Deutsches Schauspielhaus in Hamburg

Premiere 22.11.08, 20:00 Uhr

 

Ibsens Stück hat wegen seiner ökologischen Thematik einen hohen Aufmerksamkeitswert erlangt. Um die geht es tatsächlich.

Auch. Tomas Stockmann, ein hochangesehener Badearzt, stellt fest, dass das Wasser in seiner Stadt durch die Gerberei seines Schwiegervaters verseucht und zu einer gesundheitlichen Bedrohung für alle Kranken wird, die hier Heilung suchen. Bei dem Versuch, dieses Übel zu beseitigen, erfährt er anfangs großen Zuspruch durch die Öffentlichkeit. In gleichem Maße gerät er in Konflikt mit seinem Bruder Peter. Der beherrscht als Bürgermeister die Gemeinde und verfügt über genügend politische Tricks, um zum Beispiel mittels einer opportunistischen Presse eine Mehrheit für seine Interessen zu organisieren, indem er das Schreckgespenst immenser Kosten und erheblicher Einnahmeausfälle an die Wand malt. Für Tomas Stockmann als Beobachter und Opfer dieses Prozesses spitzt sich das Problem auf die Frage nach der Moral im politischen Handeln seiner Mitbürger zu. Dieser Aspekt ist viel entscheidender als der ökologische Auslöser des Konflikts, und ihm verdankt das Stück seinen Titel. Es stellt nämlich die Frage nach der Grundlage von Entscheidungsfindungen und ihrer Steuerung im demokratischen System.

 

Ibsen wird hier sehr prinzipiell und äußerst provokativ. Was immer seine polemischen Beweggründe gegenüber seinen norwegischen Zeitgenossen gewesen sein mögen: Mit großer Schärfe stellt Ibsen die Frage nach der Repräsentanz und der Legitimität von Mehrheitsentscheidungen im demokratischen System. Wem? Uns. Ein ganzer Katalog lokaler Beispiele aus Geschichte und Gegenwart ließe sich aufzählen, bis hin zu der Frage, welche Partei mit welchen Wahrheiten Wahlen gewinnen kann – oder eben nicht. Die Freie und Hansestadt Hamburg liefert in ihrer Geschichte selbst ein lehrreiches, sehr konkretes Beispiel für den Kampf, in dem Tomas Stockmann sich aufreibt: die große Choleraepidemie vom Ende des 19. Jahrhunderts, die durch verseuchtes Trinkwasser verursacht wurde und Tausende Bürger das Leben kostete. Die Verantwortlichen sind heute noch in Straßennamen verewigt. Tod in Hamburg. Also auch ein Stück Heimatgeschichte.

 

Jarg Pataki, geboren 1962 in der Schweiz, studierte ab 1986 Chorleitung am Konservatorium Basel/Genf, 1991–1995 Schauspiel an der Ecole Supérieure d’Art Dramatique Genève und 1995–1997 Schauspielregie

an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Der Schweizer ungarischer Abstammung arbeitet seit einigen Jahren sowohl als Schauspiel- wie auch als Opernregisseur: Botho Strauß »Die Zeit und das Zimmer« am Deutschen Theater Berlin, Richard Wagner »Der fliegende Holländer«, »Amerika« nach Franz Kafka und Verdis »La Traviata« am Luzerner Theater. Minyanas Kurzdramen am Bayerischen Staatsschauspiel München, »Das Opfer« nach Tarkowski am Staatstheater Stuttgart. Am Schauspiel Hannover entstanden »Berlin Alexanderplatz« von Döblin und Goethes »Wilhelm Meister«. Seit 2006 ist er Hausregisseur am Theater Freiburg, dort inszenierte er u.a. Puccinis »Madame Butterfly« und Ibsens »Peer Gynt«.

 

Regie Jarg Pataki

Bühne Doris Dziersk

Kostüme Nadine Grellinger

Musik Ingo Günther

Dramaturgie Michael Propfe / Nora Khuon

Licht Annette ter Meulen

 

Mit Katja Danowski, Marlen Diekhoff, Tim Grobe, Marie Leuenberger, Jürgen Uter, Daniel Wahl, Samuel Weiss, Martin Wißner, Sören Wunderlich

 

Weitere Termine:

27.11.2008, 20:00 Uhr

03.12.2008, 20:00 Uhr

12.12.2008, 20:00 Uhr

16.12.2008, 20:00 Uhr

09.01.2009, 20:00 Uhr

 

www.schauspielhaus.de

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