Als diese, eine gute Freundin der Mariza, überraschend auf dem Gut erscheint, kann er ihr das Versprechen abnehmen, seine Tarnung zu wahren. Die reiche und schöne Gutsherrin fühlt sich bei ihrer ersten Begegnung mit Tassilo durchaus zu ihm hingezogen, ist aber von dessen Mangel an Unterwürfigkeit irritiert. So straft sie ihn zunächst mit Herablassung. Über mangelndes Interesse der Männerwelt kann sie sich ohnehin nicht beklagen. Um die hartnäckigsten Verehrer abzuschütteln, hat sie sogar per Zeitungsannonce eine Verlobung vorgetäuscht. Als nun der erfundene Verlobte, Baron Koloman Zsupán, leibhaftig vor ihr steht, spielt sie zunächst auf Zeit. Schließlich können weder Marizas Temperament noch ihr Stolz verhindern, dass sie und Tassilo ein Paar werden.
Nach der Bajadere (2003) und der Csárdásfürstin (2009) zeigt das Theater Erfurt nun die auch international erfolgreichste Operette Kálmáns. Manches an der Gräfin Mariza erinnert an die Csárdásfürstin, doch zeigt der Vergleich beider Werke, wie sich die Welt und die Welt der Operette zwischen der Uraufführung der Csárdásfürstin 1915 bis zu der der Mariza 1924 verändert hat. Auf den
ersten Blick scheint der in der Csárdásfürstin nur zu ahnende, inzwischen aber vollzogene Untergang
der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie folgenlos geblieben zu sein. Der Schauplatz der
Gräfin Mariza liegt näher an Bukarest als an Budapest (und damit im heutigen Rumänien), und die
Figuren stammen aus den verschiedensten Teilen der Vielvölkermonarchie, selbst das mehrfach besungene Varasdin gehörte längst zu Jugoslawien.
Dies nun mit einer lediglich folkloristischen Verklärung der Vergangenheit und damit als reaktionäre
Ignoranz abzutun, würde dem Werk und vor allem der Musik Kálmáns Unrecht tun; denn die Partitur
offenbart in vielfältiger Weise den Zeitgeist der 1920er Jahre. Die aktuellen Modetänze der Zeit und die teils jazzige Instrumentation wurden damals als ausgesprochen neu empfunden, ebenso die prächtige Ausstattung der Uraufführung am Theater an der Wien, die den neuen Typus der Revue-Operette begründete. Die vor allem in der Figur des Barons Koloman Zsupán verkörperten Ungarn-Klischees wirken in diesem Umfeld wie ironische Zitate. Dazu passt, dass schon der Name der Figur ausdrücklich auf den Zigeunerbaron von Johann Strauß zurückgeht und damit auf eine Operette sehr viel älteren Typs. Dieser „falsche Bräutigam“ Zsupán ist bezeichnenderweise der einzige Charakter, der das Stück hindurch mit sich selbst im Reinen ist und bleibt. Zwischen allen anderen wird ein Spiel von Verstellung und Entlarvung gespielt, getrieben von der Sehnsucht, jemand anderes zu sein, als man unter den gegebenen Umständen ist.
Operette in drei Akten von Emmerich Kálmán
Text von Julius Brammer und Alfred Grünwald
UA Wien 1924
In deutscher Sprache
Musikalische Leitung Johannes Pell
Inszenierung Guy Montavon
Choreografie Götz Hellriegel
Bühnenbild Hartmut Schörghofer
Kostüme Roswitha Thiel
Mit Marisca Mulder / Ilia Papandreou (Gräfin Mariza); Dario Süß (Fürst Moritz Dragomir Populescu);
Jörg Rathmann (Baron Koloman Zsupán); Steffen Schantz* (Graf Tassilo); Daniela Gerstenmeyer (Lisa, seine Schwester); Helga Ziaja* (Fürstin Božena Cuddenstein); Reinhard Friedrich* (Penižek, ihr Kammerdiener); Mireille Lebel / Julia Neumann (Manja, eine junge Zigeunerin)
* Gast
Weitere Aufführungen:
So, 16.12. | So, 30.12. | Mo, 31.12.2012 | Sa, 05.01. | Sa. 19.01. | Fr, 25.01. |
So, 03.03. | Sa, 23.03.2013
Karten und Informationen unter www.theater-erfurt.de und Telefon 0361 22 33 155.