Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Essener Autorenpreis 2014 geht an Henriette DusheEssener Autorenpreis 2014 geht an Henriette DusheEssener Autorenpreis...

Essener Autorenpreis 2014 geht an Henriette Dushe

Für ihr Stück „Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr langen Strecke“ hat die in Halle an der Saale geborene Autorin Henriette Dushe die dritte Auflage der vom Schauspiel Essen ausgerichteten Autorentage „Stück auf!“ gewonnen.

Bei der Endausscheidung am Samstag, dem 26. April in der Casa setzte sie sich gegen sechs weitere Finalisten durch. Neben dem mit € 5.000 dotierten Autorenpreis der Stadt Essen, der von der Kulturstiftung der Stadt Essen sowie der Sparkasse Essen gefördert wird, kann sich Henriette Dushe über die Uraufführung ihres Stückes in der kommenden Spielzeit 2014/2015 am Schauspiel Essen freuen: Die Premiere wird am 19. April 2015 in der Casa sein.

 

Die fünfköpfige Jury, die aus den Kulturjournalisten Ulrike Gondorf und Stefan Keim, dem Autor Wolfram Lotz, dem Regisseur Gustav Rueb und der Essener Chefdramaturgin und stellvertretenden Schauspielintendantin Vera Ring bestand, begründete ihre Entscheidung wir folgt: „Henriette Dushe nimmt uns mit auf eine packende Reise durch die Zeit und in das Innenleben ihrer Figuren. Besonders fasziniert hat uns die musikalische Struktur der Sprache dieses ‚Bühnentextes für fünf Frauen‘ – eine wahre Wortpartitur.“

 

Im Stück geht es um die Ausreise einer Familie von der DDR in die Bundesrepublik. Am Anfang ist alles geprägt vom Aufbruchswillen des Vaters. Für sich und die Seinen erträumt er ein anderes besseres Leben, akribisch fertigt er Listen des umzuziehenden Hab und Guts an, räumt stumme Zweifel aus dem Weg und macht die Kinder stark gegen die Schikanen der Staatsgetreuen. Eine Zugfahrt ohne Rückfahrschein aus der DDR, aus „Dunkeldeutschland“ in die bunte BRD steht bevor. Die Mutter und ihre vier Töchter erinnern sich, ihre Sätze türmen sie um sich wie gestapeltes Gepäck, das immer neu sortiert, trotzdem immer gleich schwer wiegt. Sie erinnern den Mann in Grau, das „Scheiß-Gärtchen“ des Großvaters, die Waschbecken¬nische im Klassenzimmer für Störenfriede, die Brechanfälle der Einen, den taubengrauen Bahnhof und die traumatische Fahrt ins gelobte Land, schlussendlich die ernüchternde Ankunft im niedersächsischen Provinzstädtchen. Eine Ankunft, die dem, der sie am meisten wünschte, nie gelingen wird: Zum Leidwesen der anderen tritt der Vater fortan die Flucht in sein Inneres an. Zurück bleibt eine melancholische Schicksalsgemeinschaft.

 

Henriette Dushe wurde in Halle/Saale geboren. Nach langjähriger Tätigkeit als Erzieherin und Theaterpädagogin folgte 2001 bis 2006 das Studium der Kulturarbeit in Potsdam (Diplom im Fachbereich Angewandte Ästhetik). Von 2011 bis 2013 studierte sie Szenisches Schreiben an der uniT Graz. Von 2002 bis 2011 arbeitete sie als Dramaturgin und Autorin beim freien Autoren- und Schauspielkollektiv unitedOFFproductions (Braunschweig/Berlin). Sie wurde mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet, u. a. 2008 mit dem Werkstattstipendium für Literatur der Jürgen-Ponto-Stiftung, 2009 mit dem Retzhofer Dramapreis für „Menschen bei der Arbeit“ (UA 2010 am Schauspiel Chemnitz), 2010 mit dem Werkstattstipendium für „Sprachlos die Katastrophen im Bereich der Liebe“ am Staatstheater Mainz, 2013 wurde ihr der Jakob-Michael-Reinhold-Lenz-Preis für Dramatik der Stadt Jena für „In einem dichten Birkenwald, Nebel“ verliehen sowie der Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes für „Lupus in Fabula“. Die Uraufführungs-Inszenierung dieses Stücks eröffnet den Heidelberger Stückemarkt 2014. Henriette Dushe lebt in Berlin.

 

Den vom Freundeskreis Theater und Philharmonie Essen e.V. ausgelobten Publikumspreis in Höhe von € 1.000 gewann der gebürtige Bochumer Georg Münzel für sein Stück „Hiroshima¬platz“. Neben der „offiziellen“ Jury gab es in diesem Jahr auch wieder die „Young Experts“-Jury: Die Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren kürten das Stück „Herr Metitsch“ von Karin Strauß zu ihrem Sieger.

Zum Auftakt der Autorentage erlebte am Freitag, dem 25. April das letztjährige Siegerstück „Eine Blume als Gegenwehr“ von Katja Wachter seine Uraufführung. Regie führte Tilman Gersch.

 

Die Autorentage „Stück auf!“ entstanden in Kooperation mit der Bühnenbildklasse der Kunstakademie Düsseldorf unter der Leitung von Prof. Johannes Schütz und wurden gefördert von der Kulturstiftung Essen, der Stadt Essen, der Sparkasse Essen und dem Freundeskreis Theater und Philharmonie Essen e.V.

 

Die nächste Auflage von „Stück auf!“ findet im Frühjahr 2016 am Schauspiel Essen statt. Interessenten finden die Ausschreibung für den neuen Wettbewerb ab September 2014 unter www.schauspiel-essen.de/stueck-auf/

 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 21 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EXPLOSIVE KLANGMISCHUNG -- "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky bei NAXOS (BR KLassik)

Nicht sonderlich erfolgreich geriet die Stuttgarter Uraufführung der einaktigen Oper "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky im Jahre 1917 unter der Leitung von Max von Schillings. In…

Von: ALEXANDER WALTHER

Die ganze Wahrheit? -- „True Crime“ - Andrey Kaydanovskiy | Hege Haagenrud | Demis Volpi in der Deutschen Oper am Rhein

Drei tänzerische Perspektiven zu Wahrheit und Fiktion: Andrey Kaydanovskiy „Chalk“, Hege Haagenrud „The Bystanders“, Demis Volpi „Non-Fiction Études“  

Von: Dagmar Kurtz

SZENEN OHNE ILLUSIONEN -- "Tosca" von Giacomo Puccini in der Staatsoper Stuttgart

Kann Kunst unsere Wirklichkeit beeinflussen? Diese Frage steht als zentrales Thema im Zentrum der Inszenierung von Willy Decker, dessen Figuren sich in Puccinis "Tosca" in einem schwarzen Kasten…

Von: ALEXANDER WALTHER

RETTET DIE FRAUEN! -- Premiere "Zertretung" von Lydia Haider im Schauspiel Nord STUTTGART

Die 1985 in Oberösterreich geborene Lydia Haider hat hier einen radikalen Text vorgelegt, der zuweilen an Rainald Goetz erinnert. Die zentrale Frage lautet: Wie geht man mit einem System um, das…

Von: ALEXANDER WALTHER

ATEMLOSE HÖHENFLÜGE -- SWR Symphonieorchester mit Busoni und Sibelius im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Zwei unterschiedliche Zeitgenossen standen diesmal im Zentrum: Jean Sibelius und Ferrucio Busoni. Immerhin weiß man, dass beide in Helsinki Schumanns Klavierquintett in Es-Dur gemeinsam musizierten.…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑