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"Geschlossene Gesellschaft" - 18. Internationale Schillertage in Mannheim

Vom 12. bis 20. Juni 2015 widmet das Nationaltheater Mannheim erneut seinem ersten Hausautoren Friedrich Schiller, der 1782 mit Die Räuber seine Uraufführung am Nationaltheater feierte, ein neuntägiges Festival. Die 18. Internationalen Schillertage stehen 2015 unter dem Motto Geschlossene Gesellschaft und spüren vor dem Hintergrund von Schillers Freiheitsbegriff den räumlichen, sozialen und kulturellen Grenzen unserer Welt nach. Gemeinsam mit Künstlern und Publikum werden nationale und internationale Theaterproduktionen auf ganz unterschiedliche Weise den Freiheitsbegriff durchleuchten und ihm nachgehen.

 

 

 

Eröffnet werden die 18. Internationalen Schillertage am 12. Juni mit einer Eigenproduktion, Schillers Die Räuber. Es inszeniert der katalanische Regisseur Calixto Bieito, der bereits 2009 die 15. Internationalen Schillertage mit Don Karlos eröffnete und seitdem am Nationaltheater bei Lulu, Das Leben ein Traum, Bernarda Albas Haus oder Der Sturm Regie führte.

 

Mit Kriegerinnen inszeniert die Leiterin der Dresdner Bürgerbühne ein Stück mit Texten von Frauen im Krieg, das am 13. Juni von der Mannheimer Bürgerbühne uraufgeführt wird. Frauen verschiedener Generationen befragen einander, machen sich ihr jeweiliges (Video-)bild von den Heldinnen von damals, den Opfern von heute oder den Siegerinnen von morgen.

 

Beide Stücke, Die Räuber und Kriegerinnen, werden im Anschluss an das Festival ins Repertoire des Nationaltheater Mannheim aufgenommen.

 

Gastspiele renommierter Häuser wie dem Theater Bremen (Maria Stuart), dem Staatsschauspiel Dresden (Die Verschwörung des Fiesko zu Genua), dem Maxim Gorki Theater (Common Ground), dem Deutschen Theater Berlin (Don Carlos in der Regie von Stephan Kimmig), dem Jungen Schauspiel Hannover (Schillers Räuber – Ein Abend für fünf Spieler und einen Geräuschemacher) und dem Deutschen Nationaltheater Weimar (Wallenstein, Regie: Hasko Weber) erwarten den Zuschauer während der neun Festivaltage.

 

Im Schauspielhaus wird Ulrich Matthes, einer der bedeutendsten Schauspieler des deutschen Theaters und Kinos, Schiller-Balladen wie u.a. Der Handschuh, Der Taucher, Die Glocke lesen.

 

Mit Wallstone IV zeigt das Nationaltheater eine Auftragsproduktion, die am 19. Juni in der Regie von Clemens Meyer zur Uraufführung kommt. Wallstone IV ist ein Hybrid aus Talk, Performance und Theater. Schillers Wallenstein Trilogie ist Ausgangspunkt und Abstoßung zugleich. Über allem steht die Frage nach der Herausbildung einer Nation mit den Mitteln des Krieges.

 

In Anders-Multimediales Bootcamp zu Anti-Islamismus und Jihadismus gehen Arne V. und der internil Verein zur Untersuchung Sozialer Komposition der individuellen Radikalisierung aus der Mitte der Gesellschaft heraus nach. Im kurzweiligen Pecha-Kucha-Bootcamp-Format können Zuschauer ihre politischen Verdrängungskapazitäten testen.

 

Das filmisch-musiktheatralische Experiment RECHT. Ökonomie des Handelns 2 ist der zweite Teil der dreiteiligen Musiktheaterreihe Ökonomie des Handelns: KREDIT, RECHT, LIEBE in dem Daniel Kötter und Hannes Seidel die Frage behandeln, wie Raumordnungen und Grenzen die Rechtsordnung weltweit bedingen.

 

Zusammen mit dem slowenischen Philosophen Slavoj Žižek schuf der israelische Autor und Filmemacher Udi Aloni einen u.a. stilistisch grenzüberschreitenden Abend unter dem Titel Anti-Oedipus or: Kaddish to Shulamit.

 

In White Rabbit Red Rabbit von Nassim Soleimanpour geht es um die Erfahrung des Autors, dessen geheimer Text um die Welt geht, obwohl er selbst aus politischen Gründen sein Herkunftsland nicht verlassen darf. Ohne Proben, ohne Regisseur und ohne Bühnenbild steht bei jeder Vorstellung ein(e) andere(r) Schauspieler(in) auf der Bühne, der/die ein versiegeltes Skript erhält und beim Lesen die Zuschauer auf seine/ihre Reise ins Ungewisse mitnimmt. Bei den Internationalen Schillertagen tun dies Walter Sittler, Corinna Harfouch, Christoph Maria Herbst sowie der Filmproduzent und Regisseur Nico Hofmann.

 

In diesem Jahr präsentiert das Festival fünf deutsche Erstaufführungen aus dem afrikanischen Raum, die sich alle vielfältig in Text, Bild, Musik und Tanz mit dem Kontinent Afrika auseinandersetzen und in Bezug auf das Festivalmotto ihre ganz eigenen Fragestellungen entwickelt haben. Schiller war als Historiker wie als Dramatiker ein Spezialist innereuropäischer Kolonialgeschichte und Kenner sowohl der Kolonialisten als auch der Kolonialisierten, deren Perspektiven er aufeinanderprallen ließ. Die afrikanischen Aufführungen und Arbeiten, - überwiegend auf dem Gelände der ehemaligen Benjamin Franklin-Kaserne zu sehen, die ausnahmsweise für Publikum offen steht sind ein Fenster, aus dem man sehen kann, was aus Schillers Abschaffung der Knechtschaft, Freiheit und Universalität der Kunst und Unveräußerlichkeit der Menschenrechte werden kann.

 

Der südafrikanische Experte für zeitgenössischen Film Brent Meistre entnimmt Galerien, Internetplattformen und Videotauschbörsen cineastische Kunstwerke. Aus verschiedensten Genres und Filmtechniken, vom Art-Video über das Handy-Movie bis zum 16mm Film, hat er zwei thematische Abende unter dem Titel Analogue Eye. Drive-In Theatre zusammengestellt, die mit unterschiedlichem Schwerpunkt einen Eindruck von Positionen junger Künstler afrikanischer Herkunft geben. Die beiden Kurzfilmprogramme werden in einem Drive-In Theatre auf dem Gelände der Benjamin Frankin Village gezeigt.

 

Im Rahmen der Vorstellungen The Analogue-Eye. Drive-in Theatre gibt es eine Ausstellung von Bildern in Südafrika arbeitender Fotografen. ...Now you see me, now you don´t! eröffnet einen Blick in das Spannungsfeld von Kontrollen, Grenzmarkierungen und Selbstausdruck, zwischen Empowerment und Festschreibung.

 

Mit Fishers of Hope entwarf Lara Foot, Leiterin des Baxter Theatre in Kapstadt und mehrfach ausgezeichnete Autorin, mit verführerisch-poetischer Bildkraft nicht nur ein Familiendrama, sondern auch die Tragödie eines ganzen Kontinents, auf dem sich nach und nach alle Hoffnungen verbrauchen.

 

Burn Mukwerekwere Burn von Giles Ramsay ist die Geschichte von zwei Simbabwern inmitten eines Strudels von Gangs, die frustriert von Armut und Arbeitslosigkeit auf brutale Weise hunderte von Ausländern attackieren und töten. Zuweilen brutal in seiner Ehrlichkeit, erzählt das Stück ihre Suche nach Sicherheit.

 

In Afrika widmet sich der in Soweto geborene Choreograph und Leiter des Ntsoana Contemporary Dance Theatres in Johannesburg, Sello Pesa, der Frage was es bedeutet, afrikanischer Herkunft zu sein und welches die Voraussetzungen sind, einer bestimmten Region oder einem bestimmten Land anzugehören.

 

In Je ne suis plus une femme noire befragt die Tänzerin Kettly Noël generell die Beschaffenheit der Schwarzen. Zentrale Stellung nimmt dabei die Frau ein, die sich emanzipiert von der Karikatur, zu der sie erstarrt zu sein scheint. Es ist Kettly Noëls Vision einer Welt, in der die Hautfarbe keine Rolle mehr spielt und der Begriff Identität eine ganz neue Bedeutung hat.

 

Das SWR2-Forum eröffnet am 13. Juni seine Reihe mit dem Thema: Kriegerinnen – Ist es gut, dass Frauen Soldaten sind? Weitere Diskussionsthemen wie z.B. Sie steuern Dich! Was tun gegen die digitale Kontrollgesellschaft? , oder Ab jetzt: Komplizen – Wie offen ist die Gesellschaft für neue soziale Formen? folgen im Laufe der Festivalwoche.

 

Die Diskussionsreihe Utopie-Station, eine Veranstaltungsreihe des Nationaltheaters in Kooperation mit dem Ernst-Bloch-Zentrum Ludwigshafen und der Heinrich-Böll-Stiftung (Bundesstiftung und Landesstiftung Baden-Württemberg) und dem Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar, widmet sich im Rahmen der Schillertage dem Thema Wahrheit und Versöhnung. Südafrika als Modell? Zu Gast sein werden u.a. Ciraj Rasool, Museumsleiter und Mitglied des Nationale Heritage Council und der Philosoph Rudolph zur Lippe.

 

THE FENCE ist ein internationales Netzwerk for playwrights and people who make playwritting happen mit mehr als 200 Mitgliedern aus 51 Ländern. Das Netzwerk zielt darauf ab, Autoren und Kulturschaffenden ihre Arbeit über nationale und infrastrukturelle Grenzen hinaus zu ermöglichen. Die diesjährige FENCE-Konferenz findet im Rahmen der 18. Internationalen Schillertage statt. An einem ersten Termin präsentieren Schauspieler des Nationaltheaters eine szenische Collage aus Texten verschiedener Autoren verschiedener Länder.

 

Die Festivaltage enden jeden Abend mit den legendären Partys und Konzerten der Schill-Outs ab 22.30 Uhr im Festivalzentrum. Am Montag, 15. Juni verlässt das Konzertprogramm seine vertrauten Räumlichkeiten und zieht in das städtische Umfeld. Zu hören sein werden 10 Bands an 10 Orten, die man auf den ersten Blick nicht mit Live-Musik verbinden würde: im Foyer der Deutschen Rentenversicherung, Physiotherapie Praxis Uhrig, True Cupcakes, pitstop.de Gmbh, Fahrschule am Nationaltheater uvm.

 

Und letztlich als traditionellen Teil der Schillertage gibt es wieder ein Stipendiatenprogramm, das dem Theaternachwuchs die Gelegenheit zur intensiven Auseinandersetzung mit Schiller gibt. Seminarleiter sind u.a. Matthias Pees, Chris Kondek, Christiane Kühl, Nils Tabert, Thomas Dreissigacker, Esther Slevogt, Hasko Weber, Miriam Tscholl und Anne Lepper. Die Stipendiaten, die sich der Festivalzeitung widmen, bringen vier Ausgaben heraus, die Besucher über die aktuellen Ereignisse während der Schillertage informieren. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis 26. April.

 

Gemeinsam mit Fluchthelfer Bicycles stellt das Nationaltheater für Stipendiaten und Künstler wieder 60 Räder im Design der Schillertage zur Verfügung. Am letzten Festivaltag (Sa, 20. Juni, 14.00-15.00 Uhr) werden die Fahrräder, jeweils ein aus recyceltem Material hergestelltes Unikat von Gefängnisinsassen der JVA, am Goetheplatz versteigert.

 

Die 18. Internationalen Schillertage werden ermöglicht und gefördert durch die Stadt Mannheim, das Ministerium für Forschung, Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg sowie die Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

 

www.schillertage.de

www.nationaltheater-mannheim.de; Kartentelefon: 0621 – 16 80 150

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