Dass er der Beste in seiner Partie am Hochofen ist, dass er eine Familie gründen will, dass seine Frau Träume hat und dass seine Identität als Mensch Dass er der Beste in seiner Partie am Hochofen ist, dass er eine Familie gründen will, dass seine Frau Träume hat und dass seine Identität als Mensch an dieser Entlassung zu zerbrechen droht, schützt ihn nicht vor betriebswirtschaftlichen Konzepten, die ihn wegrationalisieren. Hans führt einen ohnmächtigen Kampf gegen anonyme Marktgesetze, die ihm seine materielle und vor allem die seelische Existenzgrundlage nehmen.
Als ich das Stück ‚Die Minderleister’ 1987 schrieb, war die Krise der Stahlindustrie an ihrem Höhepunkt angelangt: im Ruhrgebiet wurden große Stahlwerke geschlossen, in der österreichischen VOEST Massenentlassungen durchgeführt. Alle redeten von ‚unbedingt notwendigen Strukturmaßnahmen’, von der alles entscheidenden Wirtschaftlichkeit, die nur durch ein ‚Schlankerwerden’ der Lohnkosten zu erreichen sei. Vom Los der betroffenen Arbeiter redete fast niemand. Es war die Geburtsstunde jenes Satzes, der heute wie ein Dogma einer seligmachenden Religion verkündet wird: ‚Geht es der Wirtschaft gut, so geht es allen gut’. Die Arbeiter selbst mussten glauben, sie seien die Verursacher der Krise, sie hätten ihre Entlassung mit der Einsicht in die Notwendigkeit hinzunehmen.
Peter Turrini, März 2006
Auf Veranlassung des Schauspielhaus Graz hat Peter Turrini „Die Minderleister“ erweitert und verfolgt das Schicksal seiner Figuren bis in unsere Gegenwart: Das ehemalige Stahlwerk ist mittlerweile ein Industriedenkmal und wird für Kulturveranstaltungen genutzt. Ein Stahlarbeiter wie Hans wird in der globalisierten Welt nicht mehr gebraucht, höchstens am anderen Ende der Welt, wo er ein Bruchteil der Kosten verursacht. Gefragt ist der Flexible und Ungebundene, der sich und seinen Arbeitsplatz immer wieder neu erfindet.
Heute macht in vielen Betrieben die halbe Belegschaft die doppelte Arbeit. In etlichen Stahlwerken (vor allem in Deutschland) finden Kunstveranstaltungen statt. Ein Hochofen (in einen solchen ist meine Hauptfigur, der Stahlarbeiter Hans, gesprungen) wird immer wieder von Objektkünstlern verwendet. Die ersten Anzeichen von Globalisierung (Anna, die Frau von Hans, eine Textilarbeiterin, versteht nicht, warum ihre Firma nach Spanien verlegt werden soll) haben sich inzwischen zur weltumfassenden Realität entwickelt: Wo die Arbeiter weniger kosten, dort wird produziert. Wer heute das Wort ‚Arbeiterklasse’ in den Mund nimmt, wird als ‚Ewig-Gestriger’ belächelt. Die Reichen werden immer reicher, die Armen werden immer ärmer. Der zynische Satz ‚Geht es der Wirtschaft gut, so geht es allen gut’ wird selbst von seinen Opfern nachgebetet.
Peter Turrini, März 2006
Die Antworten, die Hans auf seine Frage bekommt, warum die Welt so ist wie sie ist, kann er immer weniger verstehen. Peter Turrinis dramatisches Plädoyer für eine gerechtere Welt und die Würde der Menschen in dieser Welt ist heute aktueller den je.
Regie: Alexander Kubelka
Bühne: Paul Lerchbaumer
Kostüme: Devi Saha
Choreographie: Bert Gstettner
Dramaturgie: Ingunn Wittkopf
Mit: Julian Greis, Jaschka Lämmert, Erik Göller, Daniel Doujenis, Markus Schneider, Daniel Alvermann, Gerhard Balluch, Maximilian Held, Therese Herberstein, Susanne Weber, Gerhard Liebmann, Gerti Pall, Otto David