Und der norwegische Nachbar rüstet zum Krieg. Zwischen all diesen Fronten steht der rechtmäßige Thronfolger Hamlet. Er soll seinen Vater rächen, das Land befrieden, er soll seine Mutter beschützen und ein Mädchen lieben, er soll funktionieren und und dem Volk als Vorbild dienen. Aber er tut es nicht. Machtlos steht er da und weiß nicht was er tun soll, was richtig, was falsch, was angemessen ist. Wann können wir mit Gewissheit sagen: So ist es und nicht anders? Können wir unserer Intuition trauen? Können wir überhaupt über irgendetwas absolute Gewissheit bekommen? Oder muss man irgendwann einen Schlussstrich ziehen und sagen: ich glaube um auch handeln zu können?
Der ewig zweifelnde Hamlet verfängt sich in einem Netz aus Unsicherheit und Gegenfragen, Unentschiedenheit und Tatendrang. Getrieben, verwirrt und voller Hass täuscht Hamlet den Wahnsinn vor, der ihn gleichzeitig zu überwältigen droht. Doch im Staat ist keine Zeit für Trauer. Die Staatsgeschäfte müssen weiterlaufen. Hamlet zweifelt. Hamlet stört. Hamlet muss verschwinden.
Hamlet ist Held und Projektionsfläche, ob er will oder nicht. Die Gesellschaft erwartet von ihm, dass er Vorbild ist – für das Reich, für den Protest, für die Bühne, wofür auch immer. Doch ist Hamlet selbst Suchender. Hamlet sucht und alle suchen Hamlet. Und damit ist er eine Figur, wie gemacht für eine Zeit, die auch auf der Suche nach einer eigenen Sprache des Handelns und des Aufbegehren ist.
Wutbürger und Piratenparteien haben Rückenwind, während an anderer Stelle Billionen-Fonds entstehen und ganze Staatshaushalte zum Pfandleiher getragen werden. Das System ächzt und hustet, die Politiker verwalten, statt zu gestalten. Und der kleine Mensch steht dazwischen und staunt und weiß auch nicht weiter. Wir geben uns politikverdrossen, aber zu fantasielos für eine bessere Welt, Alternativen liegen jenseits der Vorstellungskraft. Wie praktisch wäre doch da ein Thronfolger, der die Ordnung wieder herzustellen und die Ungerechtigkeit auszumerzen hat.
Leider müssen wir nach Hamlet in uns selbst suchen. Und schon sehen wir den Geist, der uns mahnt und auf die dunklen Seiten unserer schönen freien Welt zeigt - und doch weichen wir ihm aus, wir wollen ihm recht geben und doch keine Konsequenzen folgen lassen – bis uns eines Tages entweder der Wahnsinn abholt oder wir doch noch die richtige Sprache des Handelns wiederfinden.
Wieweit soll man in die Fußstapfen des bereits Bekannten treten oder doch alles verändern? Wie löst man sich von einer Idee, die größer als man selbst erscheint? Reicht die Überzeugung eines einzelnen schon aus, um zu einer Wahrheit zu werden? HAMLET ist die Geschichte einer Emanzipation und der Versuch, einen eigenen Weg unabhängig von bestehenden Strukturen wie Gesellschaft, Freunde zu Familie zu finden.
Regisseur Tilman Gersch wurde 1964 in Berlin geboren. Nach dem Abitur arbeitete er zunächst als Bühnentechniker am Deutschen Theater Berlin sowie als Buchverkäufer, bevor er von 1985 bis 1989 an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin Schauspielregie studierte. Es folgten Engagements als Regisseur am Kinder- und Jugendtheater Berlin und am Theater Greifswald. Als freier Regisseur arbeitet Tilman Gersch an verschiedenen Bühnen des Landes, u.a. am Schauspiel Leipzig, Staatstheater Dresden, Staatstheater Hannover, Thalia Theater Hamburg, Schauspiel Köln, Staatstheater Schwerin sowie am Deutschen Theater in Göttingen. Der Vater von vier Kindern hat zwei Kinderbücher geschrieben. Seit 2007 ist Tilman Gersch Mitglied der Schauspielleitung am Hessischen Staatstheater Wiesbaden.
Shakespeares Tragödie HAMLET in der Regie von Tilman Gersch und in der Ausstattung von York Landgraf hat am 4. März 19.00 Uhr im Landestheater Altenburg Premiere. In den Rollen: Rüdiger Rudolph (Claudius), Henning Bäcker (Hamlet), Peter Prautsch (Polonius), David Lukowczyk (Horatio), Jochen Paletschek (Laertes, Rosenkranz), Anne Keßler (Gertrude), Alice von Lindenau (Ophelia) u.a.
Weitere Aufführungstermine: 10. März 19.30 Uhr, 22. März 10 Uhr, 23. März 19.30 Uhr, 8. Mai 14.30 Uhr, 20. Mai 19.30 Uhr, 13. Juni 19.30 Uhr