Menuchim ist Epileptiker, kann nicht sitzen, nicht laufen, nichts sprechen außer einem einzigen Wort: Mama. Anders als Mendel ist seine Frau Deborah nicht bereit ihr Schicksal als gottgegeben hinzunehmen. „Nur wer sich selbst hilft, dem hilft auch Gott!“ – das ist ihr Glaube und so ergreift sie immer wieder die Initiative, wenn nötig auch gegen den Willen ihres Mannes. Doch der bleibt wie er ist, ergibt sich seinem Schicksal, seinem Gott. Der wird’s schon richten. Als der russische Zar seine Söhne
zum Militär einziehen will, obwohl es ihnen die Religion verbietet, die Tochter mit Kosaken ins Kornfeld zieht, beginnen sich die Ehepartner zu entfremden, die starren Familienbande zeigen Risse und Mendel wird nun doch tätig.
Amerika, das Land der Freiheit, soll nun retten, was nicht mehr zu retten ist. Seinem Sohn Schemarjah gelingt die Flucht nach Übersee und der zweite Sohn Jonas hat sich von der Familie losgesagt und sucht sein Glück in der Armee des Zaren. Schnaps, Pferde, Mädchen und die Hoffnung, es später zu einem Leben als Bauer zu bringen, locken ihn mehr als das gottgerechte Leben seines Vaters. Doch der Preis, den Mendel für die „Ehrenrettung“ Mirjams zahlt, ist hoch: Menuchim muss zurück bleiben. Für Kranke ist kein Platz in der neuen Welt. Und Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem Schemarjah als erfolgreicher Geschäftsmann seinen Weg gemacht hat, bleibt Mendel fremd. Mehr noch, die Entfremdung in der Familie schreitet voran und New York entpuppt sich auch nur als ein größeres Schtetl, in welchem Mendel nun aber seine Funktion verloren hat. Mirjam geht mit Nicht-Juden aus und Sam, wie sich Schemarjah nun nennt, zieht bald für sein neues Vaterland in den Krieg.
Schicksalsschlag folgt auf Schicksalsschlag. Mendel erträgt sie alle. Wie sein biblisches Vorbild Hiob. Verzweifelt sucht er nach der großen Sünde, nach der Rechtfertigung für die erlittenen Strafen Gottes. Wohl ahnt er, nicht genug geliebt zu haben, denn es fehlte ihm nicht am Glauben an Gott, doch wohl an der Liebe zu den Menschen. Jonas gilt als verschollen in Russland und als auch noch Sam in Europa fällt, stirbt Deborah am Kummer über den Verlust. Mirjam reibt sich zwischen Liebschaften auf und wird verrückt. Da wird es selbst Mendel Singer zu viel und er verflucht seinen Gott. Er empfindet ihn nur noch als Strafenden, der weit weg ist von den Menschen und keine Antworten auf ihre Fragen gibt.
Der Roman Hiob, der 17 Tage vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 erschien, hat Joseph Roth berühmt gemacht. Es ist der einfühlsam erzählte und brillant geschriebene „Roman eines einfachen Mannes“, so sein Untertitel. Er wirft die ganz großen Fragen nach Gott, nach dem Sinn des Lebens und nach dem Glück auf, ohne sie zu beantworten. Er offenbart Joseph Roth als Aufklärer, der das Unerklärliche des Menschenschicksals nie aus den Augen verloren hat.
Koen Tachelet hat in seiner Bühnenfassung die Schlichtheit der Sprache, den Rhythmus und den poetischen Bilderreichtum Roths bewahrt. In expressiven und bewegenden Szenen entsteht so eine Familiensaga, eine zeitlose Geschichte von Tradition und Assimilation, von Glauben und Verzweiflung, von Entfremdung, Emigration und Heimatverlust. Weil die Nationalsozialisten nicht nur den Roman, sondern auch die Menschen und die Kultur, die darin beschrieben werden, verbrannt haben, ist Hiob letztlich auch Zeugnis dieser ausgelöschten Welt.
Inszenierung: Guntram Brattia
Bühne: Heinz Hauser
Kostüme: Elisabeth Rauner
Musik: Frajo Köhle
Mit:
Mendel Singer ………………….. Elmar Drexel
Deborah, seine Frau …………... Eleonore Bürcher
Jonas, sein Sohn ………………. Helmuth A. Häusler
Schemarjah, sein Sohn ……….. Gerhard Kasal
Mirjam, seine Tochter …………. Lisa Hörtnagl
Menuchim, sein Sohn …………. Nevena Lukić
Doktor, Rabbi, Kosak ………….. Walter Sachers
Weitere Vorstellungen:
März: 21. – 20.00 Uhr, 28. – 20.00 Uhr, 29. – 20.00 Uhr, 30. – 20.00 Uhr
April: 13. – 20.00 Uhr, 20. – 20.00 Uhr