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Im Labyrinth

"Orlando updated" von Cocoon Dance im Tanzhaus NRW Düsseldorf

Copyright: Thilo Beu.

Unmöglich, die verwickelte Handlung des Orlando furioso von Ariost in kurzen Worten zusammenzufassen. Unmöglich, diese Geschichte auf der Bühne wiederzugeben. Dennoch scheint die Erzählung aus der Renaissance so zu faszinieren, dass sich Händel in drei Werken ihrer angenommen hat und dass sich Cocoon Dance jetzt schon zum zweiten Mal in einer Choreographie darauf bezieht. In "Orlando updated", das am Wochenende im Tanzhaus NRW zu sehen war, greift die Bonner Tanzgruppe daher auch nicht nur auf die in dem Ariostschen Werk geschilderte Handlung zurück. Vielmehr scheint es ihr darüber hinaus ein Anliegen zu sein, die dem Werk zugrunde liegende labyrinthische Erzählstruktur im Tanz sichtbar zu machen.

Von Blechgeräusche nachvollziehender Musik begleitet, wird humorvoll ein ritterlicher Zweikampf inszeniert, wobei die Ritter als Rammböcke aufeinander losgelassen werden. Die chinesische Prinzessin tritt in güldenem Barockkleid auf. Bei Ariost sind alle wahnsinnig in sie verliebt, während sie hier manchmal kaum Beachtung findet. Bis auf einen Tänzer, der sich als Jean Paul Gaultier ausgibt und ihr hinterherrennend eine bizarre Frisur zu toupieren versucht. Neben diesen mehr erzählerischen gibt es auch abstraktere Elemente, in denen die anderen Protagonisten in heutiger Alltagskleidung versuchen, die auf dem grünen Bühnenboden eingezeichneten Linien zu verfolgen, um dann wieder zwischen Anziehung und Abstoßung zu variieren. Sie unternehmen Ansätze, um verschiedene Versionen der Geschichte zu zeigen, mal als Menuett, mal in Hiphop-Manier. Mehrfach wird ironisch auf das ernste deutsche Tanztheater angespielt. Musikalisch wird das Ganze von Jörg Ritzenhoffs live gespielter elektronischer Musik begleitet, die auch Händel zitiert.

Auf dem Mond findet man Verlorenes wieder und so reist man bei Ariost dorthin, um den verlorenen Verstand des unglücklich verliebten Roland wiederzuholen. Den Verstand verliert man bei Cocoon Dance nicht, aber man findet tänzerisch hervorragend dargebotene, humorvolle 70 Minuten, die auch vom Publikum begeistert aufgenommen wurden.

Choreografie, Inszenierung: Rafaële Giovanola

Dramaturgie, Konzept: Rainald Endraß

Video: Axel Largo

Licht: Marc Brodeur

Tänzer und Tänzerinnen: Miquel Barcelona, Patrick Entat, Volkhard Samuel Guist, Martin Inthamoussú, Juan Luis Matilla, Maura Morales, Vicky Pérez Miranda, Zufit Simon, Bärbel Stenzenberger, Eric Trottier, Yoshiko Waki

Komposition, Live-Musik: Jörg Ritzenhoff (Komposition nach Motiven der Oper "Orlando" von Georg Friedrich Händel)

April 2010

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