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Intendanten protestieren gegen Kulturzerstörung

Die Intendantengruppe im Deutschen Bühnenverein tagte am 5. November 2005 im Staatstheater Saarbrücken, das von Sparmaßnahmen ganz besonders hart bedroht ist. Die beängstigenden Pläne der Länder und Kommunen waren das Hauptthema dieser Tagung.

Die Theater-Intendanten formulierten eine Resolution zu den aktuellen Geschehnissen, die ein Spiegel der gefährlichen Entwicklung ist und deshalb hier in voller Länge zu lesen sein soll:

"Soeben hat die Bundespolitik im Rahmen der Koalitionsverhandlungen ein klares Votum für die Kultur in Deutschland abgegeben – Kultur soll als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen werden. Gleichzeitig zeugen Geschehnisse in der Theaterlandschaft für eine neue Dimension kulturpolitischen Versagens in Deutschland. Es scheint eine Entpolitisierung der Politik stattzufinden, die Kulturpolitik verdient an vielen Orten ihren Namen kaum noch, weil sie sich fast ausschließlich mit Mittelkürzungen für die Kultureinrichtungen beschäftigt. In gleichem Maße ist eine Politisierung des Theaters in Deutschland notwendig. Es ist Zeit für eine verstärkte Solidarisierung der Theater, um dem konzertierten Geschehen in der Kultur(kürzungs)politik zu begegnen: „Was in Saarbrücken passiert, hat Auswirkungen auf Bremen und Kiel“, erklärt dazu der Vorsitzende der Intendantengruppe im Deutschen Bühnenverein, Holk Freytag, und spricht drei aktuelle Brennpunkte an, die die Intendantengruppe auf ihrer diesjährigen Herbsttagung in Saarbrücken diskutiert hat.

Das Saarländische Staatstheater wird von der Landesregierung genötigt, zukünftig mit einem um 6 Millionen Euro amputierten Etat auszukommen. In Bremen scheint der dortige Kultursenator Kastendiek das empörende Beispiel aus dem Saarland kopieren zu wollen – dort lässt man das Bremer Theater am ausgestreckten Arm verhungern, droht mit der Insolvenz der Theater-GmbH, verweigert die Auszahlung der Gehälter und erpresst von den Mitarbeitern den Verzicht auf das 13. Monatsgehalt und das Urlaubsgeld. In Kiel maßt sich der Rat der Stadt an, zukünftig über die wichtigen künstlerischen Personalangelegenheiten der dortigen Bühne entscheiden zu wollen – der Kulturausschuss bestimmt nun, wer Chefdramaturg oder Chordirektor wird.

Nach Saarbrücken sorgen auch Bremen und Kiel für Proteststürme aus den Reihen der Intendanten der deutschen Theater. Mit Blick auf Bremen stellt das Vorstandmitglied der Intendantengruppe, Tobias Wellemeyer (Magdeburg), klar: „Die Konzeption der deutschen Theater ist keine

ökonomisch-gewinnorientierte.“ Auch wenn ein Theater in der Rechtsform der GmbH geführt wird, gilt eine übergeordnete Verantwortung der Kommune oder des Landes. Der ausschließlich kaufmännische Umgang mit der Kultur darf in der Politik nicht salonfähig werden. In Kiel bedeutet die Anmaßung der Kommunalpolitiker eine Verletzung der im Grundgesetz verankerten Kunstfreiheit: „Wie kann ein Intendant die künstlerische Ausprägung seines Hauses gestalten, wenn die wichtigsten Mitarbeiter nicht von ihm angestellt werden können?“ fragt Holk Freytag. „Gegen diese Einmischung der Politik in die Eigenständigkeit der Theater verwahren wir uns.“

Die deutschen Theater haben in der Spielzeit 2003/2004 bereits eine Kürzung ihrer Finanzierung um insgesamt 49 Millionen Euro hinnehmen müssen, 556 Stellen mussten eingespart werden (Statistik des Dt. Bühnenvereins, Köln). „Das, was die Theater an Einsparungen leisten können, leisten sie – aber das schützt uns offenbar nicht vor Akten brachialer Zerstörung“, stellt Ulrich Khuon, Intendant des Thalia Theaters, fest. Trotz des positiven Signals aus den

Koalitionsverhandlungen besteht großer Anlass zur Sorge vor einem ständig zunehmenden Abbau in der deutschen Theaterlandschaft. Seine neuesten Ausprägungen zeugen dabei von der Nachahmung bestimmter Politiker, die die Ahnungs- und Konzeptlosigkeit ihrer Kollegen all zu schnell kopieren und übertreffen. Die Intendantengruppe ist entschlossen, dem solidarisch und entschieden zu begegnen, jeden neuen Versuch an die Öffentlichkeit zu bringen und die verantwortungslos handelnden Politiker an den Pranger zu stellen.

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