Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Johann Wolfgang von Goethe ‹Faust - Der Tragödie erster und zweiter Teil› - Burgtheater WienJohann Wolfgang von Goethe ‹Faust - Der Tragödie erster und zweiter Teil› -...Johann Wolfgang von...

Johann Wolfgang von Goethe ‹Faust - Der Tragödie erster und zweiter Teil› - Burgtheater Wien

Premiere am 4. September 2009 um 17.00 Uhr im Burgtheater

 

Matthias Hartmann inszeniert beide Teile von Goethes monumentalem Faust-Drama. Zwei verschiedene ästhetische Annäherungen entsprechen dabei den völlig unterschiedlichen Eigenschaften des ersten und des zweiten Teils.

Faust I spielt im historischen Milieu des mittelalterlichen Gelehrten und der kleinen bürgerlichen Welt von Margarete. Die Zeitdimensionen sind fassbar und die räumlichen Zusammenhänge stringent. Mit fest zugeordneten Rollen und durchwegs theaterhaften Bühneneffekten stellt die Inszenierung den originalen Text in den Vordergrund und bekennt sich zu einem verspielten Theateranachronismus. Ganz anders Faust II, bei dem sich sämtliche Gesetze von Zeit und Raum auflösen und nicht mehr einzelne Schicksale, sondern ganze Menscheitsbewegungen in den Blick geraten.

 

An die Stelle des Anspruchs, das Ganze als in sich geschlossenes Theaterstück spielen, tritt hier der offengelegte Prozess einer Annäherung. Den nicht mehr für die Bühne gedachten Bildwelten nähern sich Kameraaugen an, die im Zusammenspiel mit den Akteuren und Objekten auf der Bühne einen Bilderreigen auf vier Leinwände zaubern. Die Inszenierung sucht mit wechselnden Rollen und verschiedenen erzählerischen Ansätzen einen Weg durch das Dickicht von Fabeln, Symbolen und Allegorien und stösst dabei auf aktuelle Themen wie die Erzeugung des künstlichen Menschen, Schönheitsideale und die Wirtschaftskrise.

 

Faust I

 

Der Universitätsprofessor Heinrich Faust ist verzweifelt. Nichts befriedigt seine ausufernde Sehnsucht nach tiefem Wissen, höherem Dasein und bahnbrechenden Taten. Das Leiden an den Beschränkungen seiner Existenz treibt ihn bis kurz vor den Selbstmord. Da besucht ihn das Teufelswesen Mephistopheles und bietet ihm einen Pakt an: Er stattet Faust mit übermenschlichen Fähigkeiten aus. Dafür fällt ihm Fausts Seele zu, wenn dieser ans Ziel seines Strebens gelangt und sich für einen Moment mit der Gegenwart aussöhnt. Mit Mephisto beginnt Faust eine Reise durch die Welt, die ihn zu Gretchen führt. Im Rausch seiner Allmacht, mit entfesselter Begierde und blind durch ständiges Idealisieren verschuldet Faust eine fatale Kette von Ereignissen: Er schwängert das unschuldige Bürgermädchen und lässt es danach im Stich. Gretchens Mutter, ihr Bruder und das neugeborene Kind lassen dabei ihr Leben, und sie selbst wird zum Tod verurteilt. Als Faust sie aus dem Kerker retten möchte, ist es schon zu spät. Gretchen hat sich entschieden, für ihren Teil der Schuld zu büssen.

 

Faust II

 

Faust wird im Schlaf durch Elfen von Erinnerungen und schlechtem Gewissen befreit. Kaum aufgewacht, treibt ihn sein Streben weiter, an den Hof des Kaisers. Mithilfe von Mephisto rettet er das marode Reich kurzfristig durch die Erfindung des Papiergeldes. Danach macht ihn Mephisto zum Zeugen der Erschaffung des Homunkulus, der ihm den Weg ins antike Griechenland weist. Hier sucht Faust die Erfüllung seines Sehnens in der Gestalt von Helena, dem schönsten Wesen auf Erden. Doch auch das Glück mit ihr dauert nur einen traumhaften Augenblick. Faust wendet sich wieder weltlichen Taten zu und gewinnt für den Kaiser mit unlauteren Methoden einen Krieg, was ihm die Verwaltung der Reichsküste einträgt. Er baut Dämme, legt Land trocken und gründet Siedlungen, ohne Rücksicht auf Verluste. In seiner Verblendung merkt Faust nicht, dass Mephisto schon sein Grab schaufeln lässt. Faust ist zum ersten Mal mit dem Erreichten zufrieden und stirbt. Doch Mephisto wird um seine Beute betrogen: Im letzten Moment entführen Engel Faust Seele, für die Gretchen sich eingesetzt hat, himmelwärts.

 

Regie: Matthias Hartmann

Bühnenbild: Volker Hintermeier

Kostüme: Johanna Lakner

Licht: Peter Bandl

Video: Stephan Komitsch, Hamid Reza Tavakoli

Musik: Jörg Gollasch, Arno Waschk

Dramaturgie: Plinio Bachmann, Barbara Sommer

 

Heinrich Faust

Tobias Moretti

 

Mephistopheles

Gert Voss

 

Gretchen

Katharina Lorenz

 

Marthe Schwerdtlein

Maria Happel

 

Lieschen

Yohanna Schwertfeger

 

Valentin

Franz Csencsits

 

Der Herr

Ignaz Kirchner

 

Schüler

Simon Kirsch

 

Wagner

Dietmar König

 

Raphael

Peter Matic

 

Gabriel

Hermann Scheidleder

 

Brandner

Stefan Wieland

 

Besetzung Faust II

Simon Kirsch

Peter Knaack

Dietmar König

Joachim Meyerhoff

Tilo Nest

Caroline Peters

Yohanna Schwertfeger

Stefan Wieland

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 20 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EXPLOSIVE KLANGMISCHUNG -- "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky bei NAXOS (BR KLassik)

Nicht sonderlich erfolgreich geriet die Stuttgarter Uraufführung der einaktigen Oper "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky im Jahre 1917 unter der Leitung von Max von Schillings. In…

Von: ALEXANDER WALTHER

Die ganze Wahrheit? -- „True Crime“ - Andrey Kaydanovskiy | Hege Haagenrud | Demis Volpi in der Deutschen Oper am Rhein

Drei tänzerische Perspektiven zu Wahrheit und Fiktion: Andrey Kaydanovskiy „Chalk“, Hege Haagenrud „The Bystanders“, Demis Volpi „Non-Fiction Études“  

Von: Dagmar Kurtz

SZENEN OHNE ILLUSIONEN -- "Tosca" von Giacomo Puccini in der Staatsoper Stuttgart

Kann Kunst unsere Wirklichkeit beeinflussen? Diese Frage steht als zentrales Thema im Zentrum der Inszenierung von Willy Decker, dessen Figuren sich in Puccinis "Tosca" in einem schwarzen Kasten…

Von: ALEXANDER WALTHER

RETTET DIE FRAUEN! -- Premiere "Zertretung" von Lydia Haider im Schauspiel Nord STUTTGART

Die 1985 in Oberösterreich geborene Lydia Haider hat hier einen radikalen Text vorgelegt, der zuweilen an Rainald Goetz erinnert. Die zentrale Frage lautet: Wie geht man mit einem System um, das…

Von: ALEXANDER WALTHER

ATEMLOSE HÖHENFLÜGE -- SWR Symphonieorchester mit Busoni und Sibelius im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Zwei unterschiedliche Zeitgenossen standen diesmal im Zentrum: Jean Sibelius und Ferrucio Busoni. Immerhin weiß man, dass beide in Helsinki Schumanns Klavierquintett in Es-Dur gemeinsam musizierten.…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑