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"Kasimir und Karoline" von Ödön von Horvath im Düsseldorfer Schauspielhaus

Copyright: Sebastian Hoppe

Auf der Kirmes kann schon mal die Liebe abhandenkommen. Karoline will Spaß, Achterbahn fahren und Eis essen. Kasimir hat gerade seine Arbeit verloren, ist daher unausstehlich und vermasselt den ganzen Abend. Kein Wunder, dass sich Karoline bald mehr für den smarten Schürzinger interessiert, zumal sich Kasimir lieber mit dem zu Gewaltausbrüchen neigenden Kriminellen Merkl Franz abgibt.

In seiner Inszenierung von Ödön von Horvaths "Kasimir und Karoline" für das Düsseldorfer Schauspielhaus hat Nurkan Erpulat den Schauplatz von München nach Düsseldorf verlegt. Marianna Salzmann hat den Text aktualisiert und mit viel Lokalkolorit angereichert. Altbier fließt reichlich. Selbst ein Kölner hat sich hierhin verirrt. Die obligatorische Eröffnungsrede zur größten Kirmes am Rhein wird von Rainer Galke als Rauch mehr zusammengestammelt als geschwungen. Welch hohle Phrasen! Die Gäste stehen dementsprechend teilnahmslos herum. Eine Transe (Christian Ehrich als Juanita) etabliert sich mit einem munteren Liedchen in Düsseldorfer Platt. Die Kirmesbesucher singen selig "Die Wacht am Rhein" und erklären, warum es am Rhein so schön ist, erfreuen sich an den Buden, genießen Best of Hamlet in nicht zu toppender Kurzfassung. Und am Ende des Stückes werden nicht nur die akkurat aufgereihten Biertische in Unordnung geraten sein.

Horvaths Themen sind auch nach 81 Jahren nach wie vor aktuell: Arbeitslosigkeit, sozialer Abstieg und die damit verbunden Ängste und Verletzungen, die sexistische Diskriminierung, die sprachliche und körperliche Gewalt. Das sollte doch zu denken geben! Offenbar hat man sich gefragt, ob Ödön von Horvarths Sozialstudie in Düsseldorf überhaupt relevant ist, gilt sie doch als die Stadt des schönen Scheins. Und so fällt Taner Sahintürk aus seiner Rolle als Merkl Franz und interviewt das Publikum, fragt nach Einkommen und eigener Arbeitslosigkeitserfahrung. Dass er da beim Theaterpublikum nicht sehr erfolgreich ist, war zu erwarten. Aber in dieser frischen, stimmigen Interpretation bleibt alles nachvollziehbar, selbst wenn man nicht betroffen ist. Mareike Beykirch als Karoline, die sich ein besseres Leben erträumt, Till Wonka als desorientierter Kasimir, Marian Kindermann als angepasster aufsteigewilliger Schürzinger, Taner Sahintürk als gewalttätiger Merkl Franz, Stefanie Rösner als seine lebenskluge Freundin Erna, die sich nicht von ihm lösen kann, Rainer Galke als schmieriger Frauenaufreißer, die beiden minderjährigen Vergnügungssüchtigen Patrizia Wapinska als Maria und Johanna Reinders als Elli, spielen ihre Rollen jedenfalls mehr als plausibel. Das Publikum dankte mit stürmischen Beifall.

Besetzung / Team

Mareike Beykirch / Karoline

Till Wonka / Kasimir

Stefanie Rösner / Erna

Taner Sahintürk / Merkl Franz

Marian Kindermann / Schürzinger

Daniel Fries / Speer

Rainer Galke / Rauch

Christian Ehrich / Juanita

Patrizia Wapinska / Maria

Johanna Reinders / Elli

Dirk Ossig / Johnny

Regie: Nurkan Erpulat

Bühne: Magda Willi

Kostüme: Maria Roers

Musik: Tobias Schwencke

Dramaturgie: Daniel Richter

Premiere 18. Mai 2013

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