Im Frühjahr 1852 beauftragte er unter dem Bühneneindruck der dramatisierten „Kameliendame“ (im Pariser Vaudeville-Theater) Francesco Maria Piave, den Textdichter des „Rigoletto“, mit der Ausarbeitung des Librettos. Eigene bittere Erfahrungen und ein unbestechlicher Gerechtigkeitssinn hatten Verdi früh die Augen für die Schattenseiten der menschlichen Seele und der menschlichen Gesellschaft geöffnet. „La Traviata“ setzt konsequent jene Tendenz des Verdischen Schaffens fort, die im „Rigoletto“ zuerst sichtbar geworden war. Es erscheint folgerichtig, dass sich sein Interesse für die Opfer der Gesellschaft nun auf seine eigene Zeit richtete:
Violetta Valéry, das kränkelnde, aber von allen Männern umschwärmte Halbweltgeschöpf, ist keine „Heldin“ im Sinne der Opernkonvention, sondern ein echter Mensch, zerbrechlich und voll innerer Widersprüche. Ihr Wesen ist nach zwei Seiten hin ausgerichtet. Einerseits gibt sie sich dem äußerlich glänzenden und rauschenden Leben der Gesellschaft hin, andererseits sehnt sie sich nach dem stillen Glück echter Liebe. Letzteres wird ihr jedoch, als sie es gefunden glaubt, von der Gesellschaft zerstört, weil Violetta als „ausgehaltene Frau“ es nicht wagen darf, das Recht ihres Fühlens gegen einen heuchlerischen Moralbegriff zu verteidigen. So bleibt ihr nur der Verzicht auf ihren geliebten Alfredo, der zu schwach ist, sich gegen die Konvention seiner Klasse zu stellen. Violettas musikalische Zeichnung ist vollkommen frei vom Makel einer vom rechten Weg Abgekommenen (= traviata).
Ihre Wandlung von der sich selbst entfremdeten Ware, zu der sie in den gleißenden Boudoirs und Salons des Lasters geworden war, zur liebenden Frau und die Tragik, diese Liebende in einer von engstirnig bornierter Moral bestimmten Gesellschaft wie auch durch ihre Krankheit bedingt nicht „leben“ zu dürfen, steht im Mittelpunkt der Oper. Verdi hat es in „La Traviata“ – uraufgeführt am 6. März 1853 in Venedig – vermocht, die Vorstellung von dahineilender Zeit und vom Taumel des Vergnügens, wie auch die tragische Einsamkeit Violettas, die drei Stadien, die sie durchlebt: Liebe, Verzicht und Tod, in eine facettenreiches Klanggemälde zu bannen.
Text von Francesco Maria Piave, nach dem Schauspiel „Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas d. J. - in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Musikalische Leitung: Justin Brown│ Regie: Achim Thorwald | Bühnenbild: Christian Floeren │ Kostüme: Ute Frühling | Chor: Ulrich Wagner | Choreografie Balletteinlage: Eric Gauthier
Mit: Ina Schlingensiepen / Natalia Melnik (Violetta), Sabrina Kögel / Tamara Gura (Flora), Anna Maria Dur / Sarah Alexandra Hudarew (Annina), Bernhard Berchtold / Leonardo Capalbo (Alfredo), Walter Donati / Armin Kolarczyk / Stefan Stoll (Germont), Andreas Heideker / Sebastian Haake (Gaston), Ks. Tero Hannula / Christian Miedl (Douphol), Luiz Molz / Alexander de Paula (d’Obigny), Ulrich Schneider / Lukas Schmid (Dr. Grenvil), Johannes Eidloth / Sebastian Haake (Joseph), Tibor Brouwer / Alexander Huck (Ein Diener), Alexander de Paula (Ein Kommissionär)
Badischer Staatsopernchor, Ballettsolisten des Badischen Staatstheaters
Badische Staatskapelle
Weitere Vorstellungen: 26.12.2010