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Landestheater Linz: "Un Ballo in maschera" von Giuseppe Verdi

Premiere 19. September 2008 um 19.30 Uhr im Großen Haus

Als Verdi sich dafür entschied, die Ermordung des Schwedenkönigs Gustav III. während eines Maskenballs 1792 zum Gegenstand seiner nächsten Oper zu machen, gab es bereits mehrere erfolgreiche Beweise dafür, wie bühnenwirksam und vielgestaltig dieses Sujet sein konnte – vor allem wenn man es mit einer Liebesgeschichte verband.

Verdis Librettist nahm das Libretto des französischen Dramatikers und Meisterlibrettisten Eugène Scribe zu Aubers Oper Gustave ou Le Bal masqué (Paris 1833) als Vorbild, und der Maestro schuf daraufhin seine vielleicht mannigfaltigste Partitur. Nirgends mehr als hier ist Kontrast das Zauberwort: Was in der Handlung zwischen Gut und Böse, Hell und Dunkel und zwischen Pflicht und Leidenschaft streng aufgeteilt ist, das nutzte Verdi, um in hartem Schnitt gegensätzliche musikalische Welten aufeinander prallen zu lassen: leichter französischer Ton trifft auf schwere italienische Tragödie, expressiv-großflächiger Gesang auf lockere Koloraturen, Tanzmusik auf erschütternde Innenansichten. Den italienischen Behörden war Verdis Theater wieder einmal zu realitätsnah. Er musste die Handlung von Un Ballo in maschera ins amerikanische Boston verlegen, damit die Uraufführung 1859 in Rom stattfinden konnte.

Regisseurin Rosamund Gilmore und ihr Ausstatter Carl Friedrich Oberle sind froh darüber, dass die Oper in Linz nicht mit den Namen der historischen, schwedischen Vorbilder aufgeführt wird. „Durch die Verlegung an einen quasi fiktiven Ort“ – Verdi kannte die USA nicht, sie waren für ihn ein Ort irgendwo weit weg – „wird das Allgemeingültige, das Menschliche der Handlung unterstrichen.“ Oberle hat daher ein abstraktes Bühnenbild geschaffen, damit diese Allgemeingültigkeit auch sichtbar wird. Aber: „Die Freiheit, assoziieren zu dürfen, soll bleiben, eigene Erfahrung soll der Zuschauer in die Deutung des Bühnenbilds einbringen dürfen.“

Die Regisseurin Rosamund Gilmore sieht in dem Bostoner Gouverneur Riccardo, der an die Stelle des Schwedenkönigs getreten ist, einen bewundernswerten Menschen, einen Helden. Riccardo wollte nicht an die Macht, sie ist ihm übertragen worden. „Normalerweise schwimmt Dreck oben“, sagt Gilmore, „aber Riccardo ist offen, ehrlich, gerecht. Und er ist charismatisch.“ Nicht nur Oscar, sein Page (für Gilmore eine junge Frau), sondern auch Amelia stehen im Bann des charismatischen Riccardo. Amelia ist die Frau seines Sekretärs, Beraters und besten Freundes. „Zwischen Riccardo und Renato gibt es eine Freundschaft, die fast so wichtig für sie ist wie die Liebe beider Männer zu Amelia. Eine prekäre Balance.“ Als auch die äußere Balance von Riccardos Position an der politischen Spitze unter Druck gerät, ist das Ende abzusehen. „Riccardo ist ein weiser, gerechter Herrscher, der sehr geliebt wird. Trotzdem brodelt es im Untergrund. Auf dem Weg nach oben hat auch Riccardo andere beiseite schieben, ja, treten müssen“, erklärt Gilmore. „Es mag ihm aus Versehen unterlaufen sein, doch Leute wie Tom und Samuele sind deshalb bitterböse mit ihm. Ich habe solche flächenbrandartigen Rachefeldzüge selbst in Irland erlebt.“

Tom und Samuele an der Spitze einer rebellisch-umstürzlerischen Gruppe wittern ihre Chance. „Riccardo spürt“, erläutert Gilmore, „dass er nur noch kurze Zeit zu leben hat, und geht, weil er liebt, sehenden Auges in sein Verderben.“ Das Verderben naht schließlich in Gestalt seines Freundes Renato. Als dieser entdeckt, dass die beiden Menschen, die er liebt, ihn zumindest gefühlsmäßig hintergehen, ist die Enttäuschung immens. Er schließt sich den Verschwörern an. Was der titelgebende Maskenball damit zu tun hat? Nicht nur, dass das Showdown auf einem solchen Fest abläuft, sondern – so Gilmore – „alle Akteure in diesem Drama maskieren sich. Sie zeigen nicht ihr wahres Inneres, sondern nur eine Maske.“ Das gilt für Riccardo, der seine Gefühle für eine verheiratete Frau verbergen will – am liebsten auch vor sich selbst. Das gilt selbstredend für die Verschwörer, die nach außen hin die Politik Riccardos mittragen. Das gilt aber auch für Amelia, die die Maske der treuen Ehefrau um jeden Preis aufbehalten möchte. Was ist Wahrheit, was ist Täuschung? Ulrica, die Wahrsagerin, mag selbst zuweilen täuschen und spielen, doch ab und zu besitzt sie die Fähigkeit, jemandem ins Gesicht zu schauen und durch die Maske hindurch die Wahrheit zu sehen. Leider nimmt Riccardo ihre Warnung nicht ernst.

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Musikalische Leitung Dante Anzolini/Ingo Ingensand

Inszenierung Rosamund Gilmore

Bühne und Kostüme Carl Friedrich Oberle

Dramaturgie Felix Losert

Mit

Anja-Nina Bahrmann/Alesja Miljutina (Oscar)

Karen Robertson/Alaine Rodin (Amelia)

Larissa Schmidt (Ulrica)

Alik Abdukayumov (Renato)

Franz Binder (Un Giudice)

Jang-Ik Byun (Un servo di Amelia)

Mario Diaz (Riccardo)

Isaac Galán (Silvano, marinaio)

Nikolai Galkin (Tom)

William Mason (Samuele)

Chor und Extrachor des Landestheaters Linz

Bruckner Orchester Linz

Weitere Vorstellungen:

September 2008

Fr 19, So 21, Mo 29

Oktober 2008

Sa 11, Di 14, Di 21, Do 23, Mi 29, Fr 31

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