Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
LES BORÉADES - Tragédie von Jean-Philippe Rameau am Oldenburgischen Staatstheater LES BORÉADES - Tragédie von Jean-Philippe Rameau am Oldenburgischen...LES BORÉADES - Tragédie...

LES BORÉADES - Tragédie von Jean-Philippe Rameau am Oldenburgischen Staatstheater

Premiere der Deutschen Erstinszenierung: Sa 02.10.2021, 19.30 Uhr, Großes Haus

Nachdem Rameaus letzte Oper ‚Les Boréades‘ jahrhundertelang ein geheimnisumwittertes Schattendasein gefristet hatte, erfährt das Werk nun, mit dem Ablauf überteuerter Nutzungsauflagen und einer wissenschaftlichen Neuedition, seine Renaissance: Im Oldenburgischen Staatstheater wird es zum ersten Mal auf einer deutschen Bühne gespielt.

 

Copyright: Stephan Walzl

Die Hintergründe
Im Jahre 1763 schloss der fast achtzigjährige Rameau mit der Tragédie ‚Les Boréades‘ sein Opernschaffen ab, doch aufgrund ungeklärter gesellschafts- und kulturpolitischer Wirren kam das Werk – trotz bereits begonnener Proben – nicht zur Aufführung und versank für lange Zeit in der Pariser Nationalbibliothek. Erst in den 1970er-Jahren wurde es durch John Eliot
Gardiner der Vergessenheit entrissen: Gespielt wurde fortan aus Notenmaterial, an dem sich ein findiger Geschäftsmann die Rechte sicherte und teuer bezahlen ließ. So konnte das Werk auch nach seiner Wiederentdeckung jahrzehntelang nicht problemlos auf die Opernspielpläne gesetzt werden, da nur finanzkräftige Opernhäuser oder Festspiele sich dieses teure
Vergnügen leisten konnten.

Revolution auf der Opernbühne
Das vordergründig harmlos anmutende Libretto birgt zwischen den Zeilen ein mutiges revolutionäres Gedankenspiel des altersweisen Komponisten, der sich im geistigen Umfeld der aufklärerisch agierenden Enzyklopädisten und Freimaurer bewegte. Die Handlung erzählt von der baktrischen Königin Alphise, die nach althergebrachtem Gesetz durch die Heirat mit einem Prinzen aus dem Geschlecht der Boreaden deren Macht sichern soll, sich aber bedingungslos gegen diese Tradition und für die Liebe (zu einem anderen Mann) entscheidet.

Das Volk steht schon bald auf ihrer Seite und die skrupellosen Boreaden, die ihre Macht schwinden sehen, greifen zu äußersten Mitteln der Gewalt. Am Ende werden die als unumstößlich behaupteten Gesetze diplomatisch außer Kraft gesetzt: Liebe, Freiheit und brüderliche Versöhnung tragen den Sieg davon. Naheliegend, dass zu Zeiten des ‚Siècle des lumières‘ und knapp dreißig Jahre vor der Französischen Revolution die Zensur den in ‚Les Boréades‘ geschilderten Sieg des Lichts über das Dunkel als politisch zu brisant wertete. Dieser Umstand offenbart, dass die Oper nicht nur durch ihre meisterhafte Komposition musikhistorisch herausragt, sondern auch ein bis in die Gegenwart aktuelles Thema schildert: den schweren Kampf, den ein unterdrücktes Volk gegen seine Tyrannen aufnehmen muss, um in Freiheit und Demokratie leben zu können.

Für musikalische Authentizität bürgt u. a. der – jüngst ins Ehrenkomitee der Société Rameau aufgenommene – französische Dirigent Alexis Kossenko. Die männliche Hauptrolle des Abaris singt mit Mathias Vidal einer der derzeit führenden französischen Haute-Contres und mit Michael Metzler sorgt der wohl gefragteste Barock-Percussionist für besondere Soundeffekte. Die Choreographie der BallettCompagnie Oldenburg, die eine wichtige Rolle in der Handlung spielt, liegt in den Händen des aus Paris stammenden Ballettdirektors Antoine Jully.

Musikalische Leitung: Alexis Kossenko;
Regie: Christoph von Bernuth;
Choreographie: Antoine Jully;
Bühne: Oliver Helf;
 Kostüme: Karine Van Hercke;
Licht: Regina Kirsch;
Video: Sven Stratmann;
Dramaturgie: Stephanie Twiehaus;
Choreinstudierung: Thomas Bönisch

mit: Elena Harsányi, Martha Eason, Martyna Cymerman, Mathias Vidal, Kihun Yoon, Sebastian Monti, João Fernandes, Leonardo Lee, Philipp Mehr

Historische Percussion: Michael Metzler
BallettCompagnie Oldenburg, Opernchor, Oldenburgisches Staatsorchester

weitere Termine: 6.10, 8.10., 9.10., 12.10., 28.10., 29.10., 31.10.; 3.11., 4.11., 19.11. und 20.11.2021

 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 16 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EXPLOSIVE RHYTHMEN - Tanzabend mit Israel Galvan bei den Schlossfestspieleni n der Karlskaserne/LUDWIGSBURG

Der Spanier Israel Galvan gilt als "Nijinsky des Flamencos" und fühlt sich vom traditionellen Flamenco erstickt. Jetzt hat er sich Igor Strawinskys "Le Sacre du printemps" vorgenommen, jenes Ballett,…

Von: ALEXANDER WALTHER

ZAUBER DER VERWANDLUNGSKRAFT - Wolfgang Amadeus Mozarts "Le nozze di Figaro" im Theater/HEILBRONN

In der Inszenierung von Axel Vornam triumphiert in jedem Fall die Kraft der szenischen Verwandlung. Der Graf Almaviva ist auch hier ein hoffnungsloser Schürzenjäger, der den Frauen am Hof nachstellt,…

Von: ALEXANDER WALTHER

DOLCE VITA MIT FULMINANTER STEIGERUNG - Giuseppe Verdis "Falstaff" in der Staatsoper STUTTGART

Das Schlitzohr Falstaff wird in der subtilen Inszenierung von Andrea Moses als Opfer der Leistungsgesellschaft dargestellt. Wein, verheiratete Frauen und Geld sind sein Lebenselixir. Er betrügt sich…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNGEN BEI DER FIRMENFEIER - "Nicht mein Feuer" im Kammertheater STUTTGART (Schauspiel Stuttgart)

Dies ist zweifellos eine Paraderolle für Peer Oscar Musinowski als talentierter Entertainer, der vergeblich auf seinen Auftraggeber Stefan wartet. Denn dessen 55. Geburtstag soll für alle ein…

Von: ALEXANDER WALTHER

UNHEIMLICHE VERSTRICKUNGEN - Uraufführung "forecast: ödipus" von Thomas Köck im Schauspielhaus STUTTGART

Als Komplott eines Sehers stellt Thomas Köck sein Stück "forecast: ödipus" unter dem Motto "Living on a damaged planet" dar. Aufbau, Charakterzeichnung und tragischer Gehalt lassen Schicksal und…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑