Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
LO SCHIAVO (Der Sklave) Oper von Antônio Carlos Gomes im Stadttheater GiessenLO SCHIAVO (Der Sklave) Oper von Antônio Carlos Gomes im Stadttheater GiessenLO SCHIAVO (Der Sklave)...

LO SCHIAVO (Der Sklave) Oper von Antônio Carlos Gomes im Stadttheater Giessen

Premiere am 29. Januar 2011 | 19.30 Uhr | Großes Haus

 

„Auch wenn die Eingeborenen des Landes dem Christentum gänzlich abhold sind, gibt uns ihre heidnische Unwissenheit oder Verirrung kein Recht, sie zu vertreiben oder zu missbrauchen.“

 

Diese Worte des Philosophen John Locke mögen dem brasilianischen Komponisten Antônio Carlos Gomes in Fleisch und Blut übergegangen sein. Denn als er von Italien in seine Heimat zurückkehrte, schloss er sich der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in seinem Land an.

 

Seinen musikalischen Ausdruck fand dieser enthusiastische Freiheitskampf in der 1889 uraufgeführten Oper LO SCHIAVO, einem brasilianischen Werk, wie es allerdings italienischer kaum sein könnte. Denn Gomes‘ Vorbilder waren keine geringeren als die Belcanto-Größen Donizetti, Bellini, Mercadante und nicht zuletzt auch Giuseppe Verdi, der sich von Gomes‘ Stil beeindruckt zeigte: „Dieser Jüngling beginnt dort, wo ich aufgehört habe“. Tatsächlich komponierte Gomes auf der Schwelle zwischen gefühlsgetränkter italienischer Romantik und purem Verismo. So führte er nicht nur Verdis Musik weiter, er nahm zugleich so wichtige Komponisten wie Ponchielli, Giordano und Mascagni voraus – eine Glanzleistung.

 

Im Mittelpunkt von LO SCHIAVO steht Iberè – gefangen, versklavt, zwangsverheiratet mit der Sklavin Ilàra, verkauft und schließlich doch freigelassen; ein Mann von unumstößlichen Prinzipien, von bemerkenswertem Sinn für Gerechtigkeit, von unerschütterlicher moralischer Integrität. Iberè stellt sich an die Spitze einer Revolte gegen die Portugiesen, die mit Hilfe der Kirche und der Peitschen das Land besetzt halten und die einheimische Bevölkerung unterdrücken. Doch inmitten dieses Kampfes trifft er auf Americo, den Sohn seines ehemaligen Herrn. Iberè weiß, dass er diesem Mann sein Leben verdankt, und doch ist er zu seinem ärgsten Rivalen geworden. Denn Americo und Iberès Frau Ilàra lieben sich. Iberè muss nun eine Entscheidung fällen. Soll Americo sterben? Soll er ihn gehen lassen? Soll er sich für Americo und Ilàras Liebe opfern?

 

Auch wenn die Handlung von LO SCHIAVO ursprünglich im 16. Jahrhundert angesiedelt ist, entbehren die hinter der Liebesgeschichte und dem persönlichen Schicksal des Sklaven Iberè stehenden Themen keineswegs einer aktuellen Brisanz. In Schwellenländern wie Brasilien ist die Sklaverei zwar schon seit langem abgeschafft, und dennoch nur durch eine andere, vielleicht nicht weniger perfide Art der Unterdrückung ersetzt worden: der Lohnsklaverei. Das Regieteam um Joachim Rathke (Inszenierung), Bernhard Niechotz (Bühne) und Lukas Noll (Kostüme) greift diese Missstände auf und führt das Werk mitten hinein in die zweite Dekade des 21. Jahrhunderts.

 

In Europa war LO SCHIAVO bisher nur an den Opernhäusern in Bern (in deutscher Übersetzung) und London zu erleben, in Deutschland bisher jedoch noch nie. Am Stadttheater Gießen gelangt Gomes‘ Meisterwerk so zur lang vermissten deutschen Erstaufführung. In der Titelpartie des Sklaven Iberè konnte der US-Amerikanische Bariton Adrian Gans gewonnen werden, der erst kürzlich in Gießen den Jago in Verdis OTELLO interpretierte. Die beiden weiteren Hauptpartien der Ilára und des Americo konnten mit SängerdarstellerInnen besetzt werden, die dem Gießener Publikum noch in bester Erinnerung sein dürften: die italienische Sopranistin Virginia Todisco und – als Gast vom Staatstheater am Gärtnerplatz München – der Tenor Adrian Xhema. Die musikalische Leitung liegt bei Generalmusikdirektor Carlos Spierer.

 

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

 

Musikalische Leitung: Carlos Spierer

Inszenierung: Joachim Rathke

Bühne: Bernhard Niechotz

Kostüme: Lukas Noll

Chor: Jan Hoffmann

 

Mit: Carla Maffioletti (La Contessa di Boissy), Virginia Todisco (Ilàra); Stephan Bootz (Il Conte Rodrigo), Adrian Gans (Iberè), Adrian Xhema (Americo) u.a.

 

Philharmonisches Orchester Gießen

Chor und Extrachor des Stadttheater Gießen

 

Weitere Vorstellungen: 11. und 25. Februar, 19. und 31. März, 24. April, 21. Mai 2011 | 19.30 Uhr

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 18 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

Die ganze Wahrheit? -- „True Crime“ - Andrey Kaydanovskiy | Hege Haagenrud | Demis Volpi in der Deutschen Oper am Rhein

Drei tänzerische Perspektiven zu Wahrheit und Fiktion: Andrey Kaydanovskiy „Chalk“, Hege Haagenrud „The Bystanders“, Demis Volpi „Non-Fiction Études“  

Von: Dagmar Kurtz

SZENEN OHNE ILLUSIONEN -- "Tosca" von Giacomo Puccini in der Staatsoper Stuttgart

Kann Kunst unsere Wirklichkeit beeinflussen? Diese Frage steht als zentrales Thema im Zentrum der Inszenierung von Willy Decker, dessen Figuren sich in Puccinis "Tosca" in einem schwarzen Kasten…

Von: ALEXANDER WALTHER

RETTET DIE FRAUEN! -- Premiere "Zertretung" von Lydia Haider im Schauspiel Nord STUTTGART

Die 1985 in Oberösterreich geborene Lydia Haider hat hier einen radikalen Text vorgelegt, der zuweilen an Rainald Goetz erinnert. Die zentrale Frage lautet: Wie geht man mit einem System um, das…

Von: ALEXANDER WALTHER

ATEMLOSE HÖHENFLÜGE -- SWR Symphonieorchester mit Busoni und Sibelius im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Zwei unterschiedliche Zeitgenossen standen diesmal im Zentrum: Jean Sibelius und Ferrucio Busoni. Immerhin weiß man, dass beide in Helsinki Schumanns Klavierquintett in Es-Dur gemeinsam musizierten.…

Von: ALEXANDER WALTHER

GIGANTISCHER SCHWARZER KEIL -- "Don Carlos" in der Staatsoper Stuttgart

In der Regie von Lotte de Beer steht das Thema Macht ganz im Zentrum des Geschehens. Ein gigantischer schwarzer Keil dreht sich immer wieder in geheimnisvoller Weise auf der von Christof Hetzer…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑