Ihre Angehörigen suchen die Vermissten. Unter den Inhaftierten befindet sich auch ein Mann – Florestan – den sein persönlicher Feind aus reiner Rache in den tiefsten Kerkern festhält, um ihn langsam verhungern zu lassen. Seine Frau – Leonore – nimmt die Treue und die Gattenliebe ernst. Sie kämpft unter äußerster Gefahr für ihren Mann und begibt sich - verkleidet als junger Mann Fidelio - in die tiefsten Abgründe des Terrors, um ihn aus den Fängen des Tyrannen zu befreien. Auge in Auge mit dem leibhaftigen Elend der Gefangenen kommt sie zu höheren moralischen Erkenntnissen. Ihrem persönlichen Unglück erwächst ein ethisches Gewissen, das sie gegen das Unrecht an sich eintreten lässt. Dazu braucht man Mut, Todesmut.
„Fidelio“ ist weit mehr als ein „rührendes Gemälde der weiblichen Tugend“: Hinter der scheinbaren Naivität des Singspielhaften zeichnete Beethoven in seiner einzigen, mehrfach überarbeiteten Oper schonungslose Bilder vom deformierenden Umgang mit Macht. Nur Leonore hat den Mut, ihre Ohnmacht zu überwinden und sich gegen das System zu stellen. Ihre zunächst ausschließlich von der Liebe zu Florestan geleiteten Beweggründe wandeln sich im Verlauf der Oper zu höherer moralischer Einsicht, zum allumfassenden Kampf für die Würde des Menschen: „Wer du auch seist, ich will dich retten“ - so lautet ihre vom Persönlichen ins Politische erweiterte Maxime, ihr Imperativ der Humanität und Zivilcourage.
Die Entscheidung zu Zivilcourage steht prinzipiell jedem Menschen offen. Ihre Anwendung ist aber abhängig von der Entscheidung, sie zu praktizieren – oder eben nicht. Instinktiv nutzt Leonore die Situation im tiefsten aller Kerker und handelt sozial, moralisch und human.
In der Regie von Johannes Felsenstein, der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Golo Berg und der Ausstattung von Stefan Rieckhoff singen Iordanka Derilova, Cornelia Marschall/Annika Sophie Ritlewski; Mark Bowman-Hester/Udo Scheuerpflug, Hans-Arthur Falkenrath, Ludmil Kuntschew, Ulf Paulsen/Nico Wouterse und Vincent Wolfsteiner.