Sehr geehrter Herr Wüllenweber,
Vielen Dank, dass Sie sich das Saarländische Staatstheater als Garnitur Ihrer klischierten Vorurteile gewählt haben! Unter dem arg kurz gehaltenen Deckmäntelchen, ein Freund der Kunst sein zu wollen, haben Sie mit Ihrer Reportage im STERN Nr.28/2006 dem Deutschen Theater Schaden und dem Saarländischen Staatstheater eine Rufschädigung sondergleichen zugefügt. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr! Wenn es nicht die allenfalls mittelmäßigen Fotos gegeben hätte, wäre in Ihrer Reportage unser Haus nicht wiederzuerkennen gewesen.
Wozu haben Sie eigentlich den tagelangen Aufwand betrieben, in etlichen
Gesprächen und Probenbesuchen Informationen zu sammeln, wenn kaum
eine einzige davon richtig wiedergegeben wird? Viele Mitarbeiter des
Hauses haben dafür viel Mühe und Zeit aufgewendet, die Sie uns
gestohlen haben.
Gewiss hat auch das deutsche Theatersystem Schwächen, gewiss gilt es, das Tarifsystem weiter zu reformieren und zu flexibilisieren. All dies hätten Sie nach den Gesprächen im Haus mit Recht schreiben können. Eine differenzierte, konstruktivere Sicht auf die Dinge taugt allerdings nicht zu
Stammtischparolen wie "Der Apparat hat übernommen" oder "Tarifvertrag
geht vor Werktreue". Dass der Stern für ein solches Ergebnis eine aufwändige "Recherche" finanziert, die diesen Namen nicht verdient, kommt einer journalistischen Bankrotterklärung gleich.
Als besonders hinterhältig empfinden wir es, dass Sie zwischen die Abteilungen des Hauses versuchen einen Keil zu treiben. Wobei uns die Primitivität Ihrer Argumentation schon erstaunt. Denn - um nur ein Beispiel zu nennen - dass mit den Werkstätten das Handwerk und nicht die Kunst subventioniert werde, ist ebenso absurd, als würde man behaupten, mit neuen Schulbauten subventioniere man die Bauindustrie und nicht die Bildung. Was soll das? Ihre Leser sind doch gewiss intelligenter als das Niveau Ihrer eigenen Zeilen.
Um nur die eklatantesten Fehler richtig zu stellen:
• Die neue Intendantin hat keineswegs dem Ensemble der Inszenierung "Männer" komplett gekündigt.
• Ebenso wenig sind 10 von 19 Schauspielern zur neuen Spielzeit entlassen worden.
• In unserem Haus sind zur Zeit 9 Schreiner (inkl. Auszubildende) beschäftigt, 5 Schlosser (inkl. Auszubildende) und 26 Schauspieler. Sie behaupten das Gegenteil. Ihre sogenannte Aufzählung des künstlerisch tätigen Personals übersieht auflerdem mal eben 40 Mitglieder des Opernchores, 80 Mitglieder des Orchesters, alle Dirigenten, Regisseure, Bühnen- und Kostümbildner usw.
• Weder verdient der Generalintendant soviel wie der Ministerpräsident, noch der GMD soviel wie ein Kabinettsmitglied. Im Übrigen mag es sein, dass in Ihrem Horizont die Anwesenheit als Kriterium einer Bezahlung ausreicht - bei uns zählt die Leistung!
• Wie kommen Sie auf die absurde Idee, dass unsere Künstler ein ganzes Jahr lang die Stadt nicht verlassen dürften? Sie hätten sich das Regal mit den genehmigten Urlaubsscheinen zeigen lassen können.
• Es ist schlicht falsch, dass im Durchschnitt die Tänzer an unserem Haus nur etwa die Hälfte der Gage eines Orchestermusikers erhalten. Es ist ebenso falsch, dass die Durchschnittsgehälter der technischen Mannschaften die der Künstler übersteigen.
• Dass unsere Techniker "seit Stunden" die Kantine bei einer ELEKTRA-Vorstellung bevölkern, ist schon deswegen völlig falsch, weil ELEKTRA von Richard Strauss nur etwa 90 Minuten dauert. Im Übrigen: Wenn Sie selbst etwas später Feierabend gemacht hätten, wäre zu sehen gewesen, wofür man die "dicken Oberarme" braucht. Wenn Sie schon beim Nobel-Italiener nach einer Vorstellung sitzen, bauen die Kollegen der Technik das Bühnenbild ab und bereiten die Probe des nächsten Tages vor.
• Wir opfern nicht die Werktreue den Tarifverträgen. Um Doppeldienste des Orchesters zu vermeiden, ist noch nie eine Oper an unserem Haus gekürzt worden. Auflerdem: Der geänderte Tarifvertrag sieht ja gerade vor, die Mozart-Opern ungekürzt im Rahmen eines Dienstes (3 Stunden 15 Minuten plus Pause!) spielen zu können. Aber Sie hören offenbar nur das, was zu Ihren Vorurteilen passt. Was für einen journalistischen Stil Sie pflegen, erkennt man auch in Ihrer Zitierpraxis, die Zusammenhänge zerreißt, willkürlich verkürzt oder gar erfindet wie z.B. den Chefdramaturgen, den Sie wörtlich wiedergeben damit, dass aufler in den Abonnementsvorstellungen kein Saarländer das Theaterbesuche. Absurd!
Im Bewusstsein, dass das Saarländische Staatstheater unverschuldet von
Krisen geschüttelt wurde, verfassen Sie eine Reportage, die beleidigend das Engagement aller Mitarbeiter, diese Krise zu bewältigen, konterkariert. Sie erwecken den Eindruck, an unserem Hause werde gegen die Kunst gearbeitet, ineffizient gewirtschaftet und sich persönlich bereichert. Darin besteht die Rufschädigung, die wir Ihnen vorwerfen.
Bezeichnenderweise war es die Bild-Zeitung, die als erste auf die Vorab-Version Ihres Artikels reagierte. Welcome to the club, Herr Wüllenweber! Denn die Tatsache, dass der BILD/Saarland der Text schon am Mittwoch zugegangen ist, um rechtzeitig zum Erscheinungstermin des Stern Aufmerksamkeit der einschlägigen lokalen Presse zu erregen, nährt den
Verdacht, dass es dem Stern nur um Steigerung der Verkaufszahlen zu tun ist - analog zum "Ekeltheater" darf man hier wohl von
"Krawalljournalismus" sprechen! Ihr
SAARLÄNDISCHES STAATSTHEATER