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"Orlando" in Berlin-Neukölln

Oper von Georg Friedrich Händel,

neu gefasst von Wolfgang Böhmer und Rainer Holzapfel,

Premiere am 28. September 2006, 20 Uhr, Neuköllner Oper, Karl-Marx-Str. 131-133 • 12043 Berlin

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts fabulierte Ludovico Ariost in seinem maßlosen Epos Orlando furioso von Rittern, die aus Effektivitätsgründen schon mal 10 Gegner gleichzeitig auf eine Lanze spießen können, von Frauen, die immer schön, immer sexuelle willig und immer so jung sind, dass die Geschichten sich meist an der Grenze zur Pädophilie bewegen, und von Ungeheuern und Zauberern, die jedem heutigen Fantasyfilm den Rang ablaufen.

Händel macht 200 Jahre später in seinem Orlando selbigen dann zu einem Vorboten der Empfindsamkeit: Ein Weichling, der von Kämpfen und Krieg nichts mehr wissen will, dessen Vorbilder Helden sind, die in Frauenkleidern herumlaufen, der sich herausnimmt, wie eine Frau zu weinen, der dafür aber auch seine bürgerliche Existenz preiszugeben bereit ist: Händels Orlando will lieber einen Wahnsinn leben als in einer traditionellen und für ihn nicht mehr passenden Geschlechterrolle zu ersticken.

Noch einmal knapp drei Jahrhunderte später erzählt der Regisseur Rainer Holzapfel an der NEUKÖLLNER OPER Orlando als gegenwärtige Geschichte einer auseinander brechenden Familie. Aus der bei Händel angelegten psychologischen Griffigkeit und Tiefe der Figuren werden konkrete Charaktere innerhalb eines genau definierten sozial-gesellschaftlichen Zusammenhang entwickelt:

Der allein erziehende Vater, der den Rest an familiärem Zusammenhalt durch Hausmusik (das Orchester wird z.T. von unseren Darstellern selbst gebildet – siehe Seite „Kurz und bündig“!) zu gewährleisten versucht; der älteste Sohn, der eigentlich ein Mädchen ist und jetzt endlich auch als solches leben möchte; der durch die pubertären Metamorphosen verunsicherte kleinere Bruder, der von Liebe und Sexualität gar nichts wissen möchte und gerade dadurch zum begehrenswerten und manipulierbaren Objekt wird; die Cousine, die ihre Cousins als Trainingseinheiten für eine spätere Ehe mit dem dann zu erwartenden Idealgatten nutzt; und schließlich die Haushälterin, die sich nimmt, was sie kriegen kann und auch vor Vergewaltigung nicht zurückschreckt.

In dieser Produktion prallen die gegensätzlichen Vorstellungen von der Liebe, von sexueller Identität und vom Umgang mit Tradition(en) aufeinander und sorgen für ein explosives Gemisch. Wer kann sich durchsetzen? Wer sich befreien? Und: Darf Orlando als Frau leben oder nicht?

Künstlerisches Leitungsteam

Inszenierung Rainer Holzapfel

Musikalische Leitung Hans-Peter Kirchberg

Ausstattung Lisa Brzonkalla

Dramaturgie Bernhard Glocksin

Ensemble

Cassandra Hoffman Dorinda

Susanne Langner Orlando

Eva Scheider Angelica

Peter Veit Zoroastro

Christophe Villa Medoro

Orchester

Akkordeon Timofej Sattarov

Cembalo Sabine Erdmann / Christine Tschirge

Spinettino Peter Veit

Honky Tonk – Klavier Christophe Villa

Toy Piano Cassandra Hoffman

Harfe Verena Volkmer / Anna Viechtl

Harmonium Winfried Radeke

Klavier 1 Hans-Peter Kirchberg

Klavier 2 / Harmonium / Schoßorgel Winfried Radeke

Klavier 3 Susanne Langner, Eva Scheider

Spieltermine 28. und 30. September, 1. 4./5., 7./8., 11., 13./14., 18., 20./21., 25./26. und 28./29. Oktober sowie 2.-4. November 2006, 20 Uhr

Verkehrsanbindung: U 7 - Karl-Marx-Straße; S 41/42/46/47 – Neukölln; Bus 104

Karten 9-21 Euro, Vorbestellung unter 030 / 6889 0777, unter tickets@neukoellneroper.de sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen

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