Ohne sie anzusehen, nimmt er sie mit sich, um sie ans Tageslicht zu führen. Von diesem Verhalten irritiert, zweifelt Eurydike an seiner Liebe. In höchster Not wendet sich Orpheus daraufhin um – Eurydike stirbt erneut. Die Geliebte auf ewig verloren, bleibt Orpheus in endlosem Schmerz allein zurück.
Einen Platz in der europäischen Musikgeschichte eroberte sich Christoph Willibald Gluck vor allem mit seinem Spätwerk, in dem er sich auf den Ursprung der Oper – die klassische Tragödie – besann. In seinen anfangs vor allem in Paris aufgeführten Reformopern wandte er sich von den seinerzeit gängigen Operngattungen ab. Vor allem die Opera buffa empfand Gluck nicht mehr als zeitgemäß, weil sie zunehmend von musikalischen Selbstinszenierungen der Sänger geprägt waren und damit Text und Opern-Inhalt zur Nebensache gerieten. Gluck rückte vielmehr menschliche Gefühle, Leidenschaft, Tragik und Wahrheit in den Mittelpunkt des Musiktheaters – Elemente, die später noch ausgeprägter zu Markenzeichen von Wagner-Opern werden sollten. Auch sollte der Text wieder verständlich sein und gleichrangig neben der Musik stehen. Dieses innovative Opernkonzept findet sich eben in Glucks 1762 uraufgeführter Reformoper Orfeo ed Euridice, später auch in den Opern Alceste und Tragedia in musica, beide im Jahr 1767 uraufgeführt.
In Erfurt war Glucks Orpheus und Eurydike zuletzt in der Saison 1988/89 zu erleben. Für die aktuelle Neuproduktion des Werkes kooperiert das Theater Erfurt zum ersten Mal mit dem Tanztheater
Erfurt e. V. Regie und Choreografie liegen in der Verantwortung von Ester Ambrosino, die mit dem Tanztheater Erfurt bereits große künstlerische Erfolge feierte und erst im vergangenen Jahr mit dem Kulturpreis der Landeshauptstadt ausgezeichnet wurde. Ambrosino wählte für die Inszenierung von Glucks Oper die italienische Urfassung, wie sie am 5. Oktober 1762 im Wiener Burgtheater erklang. Ergänzt wird die Aufführung durch einige Einschübe aus der zwölf Jahre später für die Pariser Opéra umgearbeiteten Fassung. In der engen Verschränkung von Gesang, szenischem Spiel und Tanz wird der Gedanke eines ursprünglichen Gesamtkunstwerkes „Oper“ aufs Neue erfahrbar. Gleichzeitig verweist die Begegnung des zeitgenössischen Tanztheaters mit der klassischen Oper auch auf die Anfänge der so genannten Alte Musik-Bewegung. Die Wiederentdeckung vergessener und vernachlässigter Opern stand in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in enger Verbindung mit der Ausbildung und Entwicklung des modernen Tanztheaters.
Eine der führenden Persönlichkeiten dieser Entwicklung war der Choreograf Kurt Jooss (1901– 79), zu dessen Schülerinnen an der Essener Folkwangschule später Pina Bausch zählte, die Begründerin des legendären Tanztheaters in Wuppertal. In der Kompanie Pina Bauschs wiederum sammelte Ester Ambrosino in den 1990er Jahren prägende Erfahrungen, die nun in ihre eigene choreografische
Arbeit einfließen.
Ein Wiedersehen gibt es in der Neuproduktion des Orpheus mit der kanadischen Mezzosopranistin
Mireille Lebel, die von 2009 bis 2014 dem Ensemble des Theaters Erfurt angehörte und nun mit der Partie des wehklagenden Orpheus an dieses Haus zurückkehrt.
Text von Ranieri de‘ Calzabigi
UA Wien 1762
In italienischer Sprache mit Übertiteln
Eine Kooperation mit dem Tanztheater Erfurt e. V.
Musikalische Leitung Zoi Tsokanou
Inszenierung und Choreografie Ester Ambrosino
Ausstattung Jeannine Cleemen / Moritz Weißkopf
Mireille Lebel (Orpheus); Margrethe Fredheim (Eurydike); Nicole Enßle (Amor / Eros)
Tänzer: Anton Rudakov (Orpheus); Magali Sander Fett (Eurydike); Johanna Berger (Amor); Dmitrijs Toconijs; Susanne Ogan; Daniela Backhaus; Juliane Bauer; Alexei Bernard; Veronica Bracaccini; Léonor Clary; Stefan Kirmse; Almeida Medeiros; Carlos Daniel; Manuel Schuler; Kai Siegel; Alekszandr Szivkov; Kathrina Wilke; Tabea Wittulsky
Philharmonisches Orchester Erfurt
Opernchor des Theaters Erfurt
Weitere Aufführungen: So, 13.03. | Fr, 18.03. | Fr, 25.03, | Mi, 06.04.2016
Karten: 0361 22 33155