„Wasserbrunnen in meinem Dorf./Es gibt kein frischeres Wasser als in meinem Dorf./Brunnen ländlicher Liebe.“ Mit diesen romantischen Zeilen beginnt der erste Gedichtband eines Autors und Filmemachers, dessen Leben gewaltsam im Staub der Straße endete. Sich mit Pier Paolo Pasolini zu beschäftigen, bedeutet sich mit unvereinbaren Gegensätzen zu konfrontieren und einzutauchen in eine untergegangene Welt, die es vor gar nicht langer Zeit noch gab.
Was also hat ein schwuler Kommunist, der in einem erzkatholischen Land gelebt hat, ein Intellektueller, der die Bauernwelt seiner friulischen Heimat verherrlichte und allabendlich in den Suburbs der Großstadt in der schnellen Liebe mit Strichjungen seine Erfüllung suchte, was hat uns der Autor von „Gramscis Asche“ (Gedichte, 1957), „Ragazzi di Vita“ (Roman, 1955) und „Petrolio“ (Roman, posthum), der Regisseur von Filmen wie „Medea“ (1969), „Große Vögel, kleine Vögel“ (1965) oder „Saló oder die 120 Tage von Sodom“ (1975) noch zu sagen? Wir meinen: Viel, gerade in seinen Widersprüchen und als Rebell in eigener Sache gegen die gleichmacherischen Tendenzen der Konsumwelt. Seine „Lutherbriefe“ und „Freibeuterschriften“ bieten jede Menge Stoff für Globalisierungskritiker.
„Die Suche nach dem heiligen Leib“ ist ein assoziatives Geflecht, das Elemente der Biographie Pasolinis ebenso nutzt wie Motive und Bilder aus seinem gewaltigen Oeuvre. Es zeigt den politischen Pasolini ebenso wie den ödipalen homosexuellen Narziß, der in Symbiose mit seiner Mutter lebt. Es zeigt den Autor und Regisseur, der sich immer wieder an religiösen Symbolen und Themen abarbeitet und stellt Vermutungen über seinen Tod. Die Elemente Tanz, Schauspiel/Körpertheater und Musik gehen dabei als gleichberechtigte Ausdrucksformen in das Szenario ein.
Pier Paolo Pasolini wurde 1922 in Casarsa (Friaul) geboren. Sein Vater war Soldat und Faschist. Sein jüngerer Bruder Guido wurde 1945 als kommunistischer Widerstandskämpfer von Kommunisten ermordet. Pasolini begann früh zu schreiben, veröffentlichte Gedichte, Romane und schrieb Filmdrehbücher unter anderem für Fellini und Bertolucci, ehe er selbst im Film als Regisseur das ihm gemäße Ausdrucksmittel fand. 1950 wegen „obszöner Handlungen“ aus dem Schuldienst entlassen und aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, flieht Pasolini mit seiner Mutter – mit der er Zeit seines Lebens eng verbunden bleibt – nach Rom, wo er bis zu seinem gewaltsamen Tode lebt. Er wird am 2. November in der Nähe von Ostia erschlagen aufgefunden.
mit Adriana Kocijan, Oliver Dressel und Michael Gabel
nach einem Skript von Alex Goretzki und Peter Piontek
inszeniert von Wolfgang A. Piontek