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Puppenmord

Gisèle Viennes Performance "I apologize" im Tanzhaus NRW in Düsseldorf

Puppen üben seit jeher eine Faszination aus. Der Mensch sucht in ihr sei Alter Ego, belebt sie, indem er ihnen Eigenschaften andichtet. Von Pygmalion über E.T.A. Hofmanns Olimpia und Oskar Kokoschkas Puppenfetisch, den er sich anfertigen ließ, als er von seiner Geliebten Alma Mahler-Werfel verlassen wurde, bis zu Hans Bellmers obsessivem Blick reicht die weitgefächerte Palette in der Literatur und bildenden Kunst. Die Puppe ist dabei Ersatz und verfügbares Objekt und hat mit einem niedlichen Kinderspielzeug nichts mehr gemein.

 

In ihrer Performance "I apologize" spielt auch Gisèle Vienne mit der Täuschung zwischen belebt und unbelebt. Ihre Puppen wirken manchmal nahezu lebendig und ihre Performer ahmen Posen nach, die an eine Automate erinnern. Anja Röttgerkamp gelingt es hervorragend die Bewegungsmuster in der Art der computeranimierten Lara Croft darzustellen.

 

Gisèle Vienne beschäftigt sich mit den menschlichen Randgebieten und zeichnet ein düsteres Bild von Sex und Gewalt. Aus Transportkisten werden Puppen gezerrt, die wie Schulmädchen gekleidet sind und wie kleine Lolitas wirken. Wenn sie wieder in die Kisten verfrachtet werden, erscheinen diese zugleich als Särge. Manchmal wirken die Puppenarrangements wie Bilder nach einem Schulbusunfall, dann erscheinen die Puppen wie Entführungsopfer oder Opfer eines sexuellen Gewaltverbrechens. Der Puppenführer führt Gespräche mit seiner Freundin, ein schwuler Freund taucht auf, Blut fließt, Schüsse fallen, der Freund mutiert zum Transvestiten. Das alles ist unterlegt von lautstarker Technomusik und den englischen Texten des amerikanischen Literaten Dennis Cooper, in denen in eintöniger Weise ein Mann immer wieder von seinem Drogenkonsum erzählt. Ich bekenne und entschuldige mich bei den Opfern - und schon wird das Strafmaß vermindert?

 

Die düsteren Bilder einer dehumanisierten Gesellschaft fanden in einem schwach besetzten Tanzhaus nur verhaltenen Beifall, allein wohl deshalb, weil man sich mit einem Thema über das fast täglich im Radio und Fernsehen berichtet wird, nicht unmittelbar konfrontiert sehen möchte.

 

Konzept, Choreografie: Gisèle Vienne;

choreografische Mitarbeit, Performance: Jonathan Capdevielle, Anja Röttgerkamp, Jean-Luc Verna;

Texte: Dennis Cooper; Musik: Peter Rehberg; Lichtdesign: Patrick Riou; Make-up: Rebecca Flores; Puppen: Raphaël Rubbens, Dorothéa Vienne-Pollak, Gisèle Vienne.

 

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