Aber der freisinnige Herzog hat wenig Lust, seinen volksnahen Ruf durch unpopuläre Maßnahmen zu ruinieren. Er zieht sich vorübergehend aus der Politik zurück und überlässt seinem Statthalter Angelo die Durchsetzung einer rigiden Moralpolitik. Der verhängt als erste Amtshandlung das Todesurteil über Claudio, der vor der Heirat mit seiner Verlobten geschlafen hat. Laut eines längst nicht mehr angewandten Gesetzes ist das strafbar und Angelo gedenkt hart durchzugreifen. Aber als sich Claudios Schwester Isabella, die als Novizin dem Klarissenorden angehört und moralisch über jeden Zweifel erhaben ist, für ihren Bruder einsetzt, geraten Angelos strenge Prinzipien ins Wanken, und er unterbreitet ihr ein unmoralisches Angebot: Er will das Todesurteil aufheben, wenn sie dafür zum Sex mit ihm bereit ist. Für die streng gläubige Isabella ein tragisches Dilemma: Soll sie, die als Nonne ins Kloster will, sich prostituieren, um ihren Bruder zu retten?
»Maß für Maß« gilt als eines von Shakespeares sogenannten »Problemstücken«. Es verweigert sich der klaren Genre-Zuordnung, ist weder Tragödie noch Komödie. Das wirkt folgerichtig bei einem Stück, das so scharfsinnig die Grauzone zwischen moralischer Konsequenz und inhumaner Grausamkeit auslotet. Es liefert eine schonungslose Analyse der zwischenmenschlichen Dynamik im Umgang mit Macht. Psychische Deformationen scheinen dabei genauso unvermeidbar zu sein wie Machtmissbrauch und Korruption. Keine der Figuren kommt aus diesem Stück unbeschädigt heraus, weder der Herzog, der sich aus politischem Kalkül die Finger nicht schmutzig machen will, noch Angelo, dessen gute Vorsätze wie von selbst ins Monströse pervertiert werden, noch Isabella, die, um ihren Prinzipien treu zu bleiben, das Leben ihres Bruders opfern muss. Trotzdem hat Shakespeare bei all der ungemilderten Härte des Konflikts mit »Maß für Maß« auch eine federnde Komödie über die Schwierigkeit, das Richtige zu tun, geschrieben.
Übersetzung und Fassung von Marius von Mayenburg
Koproduktion mit den Salzburger Festspielen.
Regie
Thomas Ostermeier
Jan Pappelbaum
Kostüme
Ulrike Gutbrod
Musik
Nils Ostendorf
Dramaturgie
Peter Kleinert
Urs Schönebaum
Korrepetition
Timo Kreuser
Vincentio, der Herzog
Gert Voss
Angelo, der Stellvertreter
Lars Eidinger
Isabella, Claudios Schwester
Jenny König
Ein Aufseher
Franz Hartwig
Lucio, ein Dandy
Stefan Stern
Escalus, ein alter Adliger
Erhard Marggraf
Claudio, ein junger Herr
Bernardo Arias Porras
Musiker
Kim Efert
Nils Ostendorf
Carolina Riaño Gómez
Termine in Berlin:
17.09.2011, 20.00 Uhr
18.09.2011, 20.00 Uhr
19.09.2011, 20.00 Uhr