Dort, in der großen Stadt, muss Leben sein. Hier, auf dem Land, ist alles nur ein Abziehbild von dem, was man in die Ferne projiziert. So sitzen Olga, Mascha und Irina mit ihrem Bruder Andrej, dem erfolglosen Akademiker, in einem Landhaus in der Garnisonsstadt und träumen sich „nach Moskau, nach Moskau, nach Moskau“.
Paul Koek erforscht mit seinem internationalen Musiktheater-Ensemble, der Veenfabriek, neue interdisziplinäre Formen darstellender Kunst, ausgehend von den verschiedensten Varianten des Musiktheaters, und ist mit seinem Ensemble regelmäßig zu europäischen und außereuropäischen Gastspielen eingeladen. Mit dem Schauspielhaus Bochum arbeitet Paul Koek zum ersten Mal über einen mehrjährigen Zeitraum mit einem festen Partner außerhalb der Niederlande zusammen und erkundet mit dem Bochumer Ensemble anhand klassischer Texte neue Formen des Musiktheaters.
Paul Koek und sein Team beschäftigen sich nun zum ersten Mal mit Tschechow. Als Musiktheatermacher interessiert sich Koek für das musikalische Prinzip in den „Drei Schwestern“. Folgt das Drama, folgen die Figuren einer bestimmten Komposition? Wie ist das musikalische Verhältnis von Sprache und Handlung der Figuren? Spieler des Bochumer Ensembles und drei Musikerinnen der Veenfabriek werden gleichberechtigt nebeneinander auf der Bühne stehen. Auf dieser Grundlage wird Paul Koek Tschechows „Drei Schwestern“ in seine Idee des Musiktheaters übersetzen.
Die Musikerinnen sind ein klassisches Trio für Tasteninstrumente, Cello, Flöten und Schlagwerk. Anke Brouwer, künst-lerisches Mitglied der Veenfabriek, entwickelt dazu elektronische Kompositionen, Klänge und Samples, daneben wird weiteres musikalisches Material verwendet.
In Anton Tschechows Stück sieht man eine Welt im Umbruch, in der die Menschen mit den Veränderungen nicht umge-hen können. Sie sehnen sich nach großen Taten und sind doch selber von Arbeit schnell angestrengt, müde und bekom-men Kopfschmerzen. Sie verzehren sich nach Liebe, sie wünschen sich Glück und reden ständig davon, ihr Leben in die Hand zu nehmen, ohne jedoch irgendeine Anstrengung zur Veränderung zu unternehmen.
Paul Koeks (*1954 in Leiden) Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet. Im Jahre 2009 erhielt er die höchste Kulturauszeichnung der Niederlande, den Prinz Bernhard Kulturfond Theaterpreis. Seine gemeinsam mit Johan Simons erarbeitete Inszenierung von Horváths „Kasimir und Karoline“ war zum Berliner Theatertreffen 2010 eingeladen. Er arbeitete als Schlagzeuger mit Künstlern wie Peter Greenaway, Heiner Goebbels oder Bob Wilson. 1987 schloss er sich der Theatergruppe „Hollandia“ von Johan Simons an, wo er 1993 künstlerischer Koleiter wurde. 2005 gründete er sein eigenes Musiktheaterensemble, die Veenfabriek in Leiden. Eine ehemalige Fabrik, die heute neben den Proben- und Aufführungsräumen auch Galerien und Ateliers beherbergt, ist der Stammsitz des Ensembles. www.veenfabriek.nl
Regie: Paul Koek
Bühne: Theun Mosk
Kostüme: Dorothee Curio
Musik: Veenfabriek
Dramaturgie: Olaf Kröck, Paul Slangen
Mit: Manuela Alphons, Manfred Böll, Bettina Engelhardt, Anna Grisebach, Andreas Grothgar, Jürgen Hartmann, Marco Massafra, Kristina-Maria Peters, Roland Riebeling, Nadja Robiné/Tanja Schleiff, Henrik Schubert, Daniel Stock, Werner Strenger, Atef Vogel / Musikerinnen: Kim-José Bode, Teodora Stepančić, Annie Tångberg
Eine Koproduktion mit der Veenfabriek Leiden, Niederlande. Gefördert im Fonds Wanderlust der Kulturstiftung des Bundes. Mit freundlicher Unterstützung des Generalkonsulats der Niederlande.
Die nächsten Vorstellungen: 12.10., 20.10., 29.10.