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Staatsoper Stuttgart, Uraufführung: Bachs "Johannes-Passion" auf der Opernbühne

Sonntag, 2. April 2023, 19 Uhr, Opernhaus

Aufbrausende Chöre, innige Choräle und die herzergreifenden Arien, die wie meditative Andachtsbilder zum Mitleiden aufrufen: All das ist Johann Sebastian Bachs Vertonung der biblischen Johannes-Passion. Den Kern der Erzählung vom Leiden und Sterben Jesu bilden Petrus’ Loyalitätsdrama, der Gewissenskonflikt des römischen Statthalters Pontius Pilatus und der Kreuzweg.

 

Copyright: Matthias Baus

Die Behauptung Jesu, er sei Gottes Sohn, ist jedoch, was die Gemeinschaft entlang von Glaubenslinien auseinanderbrechen lässt. Ulrich Rasche und sein Team inszenieren die Johannes-Passion wie eine antike Tragödie: als packende Chronik einer Spaltung.

„In der symbolischen Leere gehen jene sinn- und gemeinschaftsstiftenden Bilder und Metaphern verloren, die das Leben stabilisieren. Die Erfahrung der Dauer nimmt ab.“ (Byung-Chul Han) Zentrale Funktion des Ritus, der im Kollektiv begangenen kultisch-religiösen Feier, ist seit eh und je, symbolischen Kitt herzustellen, mit dem sich Gruppen eines gemeinsamen Ursprungs erinnern (so wurde einst das europäische Theater aus dem griechischen Kultus geboren).

Auch in Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion hat die Wiedererzählung der Leidensgeschichte Jesu Christi eine universale politisch- vergemeinschaftende Seite: Die Frage nach der Herkunft Jesu spaltet eine Gruppe und produziert Stimmen mit unterschiedlichem Identifikationswert. In den herzerschütternden musikalischen Andachtsbildern vertiefen sich die einen in die menschlichen Dimensionen des Leidens Jesu, finden darin Trost und Stärke. Andere zweifeln an seinem göttlichen Ursprung, verlieren ihre Empathie, klagen an und toben.

Die Johannes-Passion lenkt den Blick nicht allein aufs Jenseitige, sondern auch auf den Ursprung der individuellen Handlung aus der kollektiven Haltung – auf Fragen von Herrschaft und Zugehörigkeit, das Leid der Anderen und die Verantwortung ihnen gegenüber. Braucht es nicht nach allem, was wir wissen und wie wir gelebt haben, eine Neubewertung für die Verstrickung der Einzelnen mit der Welt? Regisseur und Bühnenbildner Ulrich Rasche projiziert diese Themen in einen Chor, in dessen Anschuldigung und Mitleiden sich Perspektiven des Gemeinschaftlichen abbilden. Welche davon wir leben wollen und können, wird sich zeigen.

Ein szenisches Oratorium
in deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Musikalische Leitung Diego Fasolis
Regie & Bühne Ulrich Rasche
Mitarbeit Regie Dennis Krauß
Mitarbeit Bühne Franz Dittrich
Kostüme Sara Schwartz, Romy Springsguth
Choreografie Toni Jessen
Video Florian Seufert
Licht Gerrit Jurda
Chor Manuel Pujol
Dramaturgie Franz-Erdmann Meyer-Herder
Evangelist Moritz Kallenberg
Jesus Shigeo Ishino
Petrus/Pilatus Andreas Wolf
Jesu Gefolgschaft / Sopran Fanie Antonelou
Jesu Gefolgschaft / Alt Alexandra Urquiola
Jesu Gefolgschaft / Tenor Charles Sy
Jesu Gefolgschaft / Bariton Johannes Kammler
Magd, Jesu Ankläger / Sopran Kyriaki Sirlantzi
Jesu Ankläger / Alt Linsey Coppens
Diener, Jesu Ankläger / Tenor Maximilian Vogler
Jesu Ankläger / Bass Andrew Bogard
Bass Michael Nagl

Staatsopernchor Stuttgart, Staatsorchester Stuttgart

Weitere Vorstellungen
7. / 9. / 14. / 16. / 20. / 22. / 25. / 29. April 2023

 

 

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