Die Aufführung findet in einer großen Fabrikhalle von ca. 2000qm in Düsseldorf in Kooperation mit dem Schumannfest 2016 statt. Der Raum ist gestaltet wie ein Landschaftsgemälde von William Turner: transparente Folien lassen die Objekte verschwimmen und bilden das nebelige, luftige Medium zwischen Betrachter und Szenerie. Die Stoffe und Folien formen eine künstliche Landschaft.
Das Jahr 1816 ist in der Klimageschichte bekannt als das „Jahr ohne Sommer“, ein Jahr, in dem in vielen Teilen der Welt ein ungemütlicher und vor allem sehr kühler Sommer auftrat. Schuld daran war der gewaltige Ausbruch des Tambora-Vulkans (Indonesien) im April 1815. Geschätzte 150 km³ an Gesteinsmassen wurden damals in die Atmosphäre geblasen, genug, um weltweit eine Klimaverschlechterung einzuleiten. Nach der etwa einjährigen Ausbreitungsphase des Staubschleiers um die Erde gingen die Sommertemperaturen so stark zurück, dass z.B. aus dem Nordosten der USA von Schneefällen im Juni berichtet wird. In Europa zog sich das Ascheband über Belgien, Nordfrankreich, Mitteleuropa sowie Österreich und die Schweiz.
Der rote Faden ist die Vertonung des Gedichtes von Lord Byron „The darkness“ für gemischten Chor, das 1816 entstand. Um diesen Gedicht herum wirbeln die Ereignisse des Jahres 1816: Katastrophenstimmung, hungernde Menschen in Europa, Explosion der Lebensmittelpreise, die Einen verteidigen ihr Hab und Gut, die Anderen lindern mit ersten sozialen Einrichtungen die Not. Ein Literatenkreis am Genfer See veranstaltet einen Gespenstergeschichten-Wettbewerb mit der Entstehung des Frankenstein Mythos von Mary Shelley und dem Gedicht
„Darkness“ von Lord Byron. Mitteleuropa hatte eine Flüchtlings-katastrophe. Deutsche versuchten als Hungerflüchtlinge in die angrenzenden Länder zu fliehen, oder nach Amerika auszuwandern.
Die Katastrophe bringt menschlich Allzumenschliches zutage: Besitzende ergattern überteuerte Überfahrten nach Amerika, Gewinnler spekulieren auf Getreide, Fanatiker verbrennen Hexen.
Die Baronin von Krüdener gibt ihr Vermögen für die Hungernden und erntet Spott und beißende Kritik ihrer Schicht. Erfinder entwickeln Fortbewegungsmittel ohne Pferdekraft und die Kunst läßt sich inspirieren. Ein Sittengemälde unserer Zeit, oder sind wir heute weiter in Fragen der Solidarität und gesellschaftlicher Verantwortung?
1816 ist ein Jahr, in dem Europäer Wirtschaftsflüchtlinge waren. Eine Klimakatastrophe oder ein Klimawandel könnte sehr schnell unsere Situation verändern. Die Erde ist ein fragiles Gebilde und eine Gesellschaft ist es auch. In einem Krisenfall retten die einen ihr eigenes Leben und die anderen machen sich Gedanken um eine notwenige Veränderung. Können wir irgendwann das Überleben der gesamten Menschheit als unsere Aufgabe begreifen?
Diese Themen sind menschlich und zeitgenössisch und inspirieren uns, ein turbulentes Jahr im Geist der vorwärtspreschenden Dampfmaschine der ersten industriellen Revolution auf die Bühne zu bringen, kurz vor der vierten Revolution, der digitalen ‚Industrie 4.0‘.
Das Ensemble ist europäische. Die Künstler kommen aus Deutschland, Belgien, England und der Slowakei. In der Hungersnot von 1816 waren alle diese Länder betroffen. Jetzt sind wir gemeinsam gefordert, die hungernden und verfolgten Fremden aus Afrika und Nahost in unsere Gesellschaft aufzunehmen. Deswegen müssen wir immer wieder erzählen, wie es in der Vergangenheit den Europäern ergangen ist.
Dies ist die vitalste Aufgabe der darstellenden Kunst: Die Geschichten aus der Vergangenheit ins Licht der Gegenwart zu stellen. Mit Musiktheater wollen wir keine Dokumentation, sondern ein sinnliches Erlebnis für ein möglichst breitgefächertes, europäisches Publikum gestalten.
Das Projekt ist interdisziplinär, weil es Aspekte der bildenden Kunst und musiktheatrale Formen verknüpft. Es ist experimentell, weil es einen Chor im Raum agieren lässt und das Publikum ins Zentrum stellt. Das Theater Kontra-Punkt hat bereits eine nachhaltige Wirksamkeit in Düsseldorf, weil es nun über 17 Jahre lang neue Formen des zeitgenössischen Musiktheaters im urbanen Umfeld entwickelt. Dieses Projekt findet im Rahmen des Schumannfestes 2016 statt und entsteht somit mit diesem Düsseldorfer Partner. Weitere Partner sind die Hochschule für musische Künste in Bratislava und natürlich unser Co-Produktionspartner Ensemble LabArca. Dem Leiter des belgischen Ensembles François VanEeckhaute kommt als Kunsthistoriker eine besondere Rolle in der Darstellung der vom Vulkanausbruch beeinflussten Kunst William Turners zu.
Komposition - Simon Wills, GB
Libretto - Annette Bieker, (Gedichte Lord Byron)
Kostüm/Bühne - Jan Kocman, SK
Choreographie - Jacqueline Fischer
Regie - Frank Schulz
Regieassistenz - Rebekka Gebert
Schauspiel - Dominik Bender, Annette Bieker, François VanEeckhaute, Xolani Mdluli
Musiker - Bernd Bolsinger (Klarinette), Christine Hanl (Viola), Simon Wills (Posaune)
Ratinger Kammerchor unter der Leitung von Dominikus Burghardt
Eine Co-Produktion mit
Ensemble LabArca Bruxelles, B
und der Hochschule für musische Künste in Bratislava
(Vysoká škola múzických umení), SK
Im Schumannfest Düsseldorf vom 2.-5.6.16
FREITAG, 3. JUNI, 20:30 UHR
SAMSTAG, 4. JUNI, 18:30 UND 20:30 UHR
SONNTAG 5. JUNI, 18:30 UHR
weitere Informationen: Theater Kontra-Punkt 0211 - 929 35 81 oder 1816 - Das Jahr ohne Sommer