Die Wohnung des Vaters ist ihre Zuflucht geworden, der Ort, wo sie sich seit vielen Jahren vor der Realität verstecken kann, wo sie »an die Welt denken kann, wie sie sein sollte, nicht, wie sie ist«. Annies Welt ist perfekt, wenn Jack bei ihr ist und deswegen wartet sie auf ihn. Alle paar Jahre, für ein paar Monate, kehrt er aus einem Krieg heim, holt sie mit seinem Ford Mustang ab und sie lieben sich die ganze Nacht. Annie vergisst dann, dass sie eigentlich mit Bill verheiratet ist, vergisst, dass sie zwei
Kinder und ein echtes Leben hat, mit Haus, Auto und Familienurlauben. Bill weiß, dass seine Frau erst nach Hause kommt, wenn der nächste Krieg beginnt und Jack wieder verschwindet, und so wartet auch er; auf Annie, darauf, dass sein Leben zurückkehrt. Und darauf, dass Annie endlich versteht, dass Jack den Krieg mehr liebt als sie, dass sie sich endlich wieder für die Kinder zu interessieren beginnt und dass Jack von einer Kugel getroffen wird, während er heldenhaft in der afghanischen Wüste für den westlichen Wohlstand kämpft.
Der Autor Mario Salazar verwebt diese Ménage-à-trois mit einer komplexen Westernhandlung. Immer, wenn der Hauptfigur Annie Ocean das echte Leben über den Kopf wächst, flüchtet sie sich vor den Fernseher und taucht ein in die Westernwelt, mit ihren 100 Cowboys auf 100 Pferden, die die Stadt und Jack vor den Apachen retten wollen. All das, was Annie in ihrem richtigen Leben nicht ertragen kann wird in ihrem Western romantisiert; alles ist aufregend, heroisch und leidenschaftlich. Es gibt den Helden und den Antihelden, den Kampf um die Liebe, den Kampf um das Land und den Kampf um eine goldene Zukunft.
Mario Salazar, geboren 1980 in Berlin, arbeitete nach dem Abitur zunächst mit Heimkindern in Spanien und Frankreich und leistete seinen Zivildienst in einem Psychiatrischen Krankenhaus in Berlin. Anschließend studierte er Politikwissenschaft, Nordamerikastudien und Lateinamerikanistik in Berlin und Santiago de Chile, später studierte er Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Nebenbei war er als Regiehospitant und -assistent bei Armin Petras und Milan Peschel am Maxim Gorki Theater Berlin tätig. 2010 war er mit Alles Gold was glänzt und mit Annalea zu den Werkstatttagen des Wiener Burgtheaters eingeladen. Sein Stück Alles Gold was glänzt wurde zudem 2011 beim Stückemarkt des Theatertreffens Berlin präsentiert und mit der Auszeichnung »Theatertext als Hörspiel« honoriert. Mit Am Leben werden wir nicht scheitern (UA 15.11.13, Theater Bielefeld) war er 2012 sowohl zum Heidelberger Stückemarkt als auch zum Essener Stückemarkt »Stück auf!« eingeladen – in Essen wurde Salazar mit dem vom Freundeskreis Theater und Philharmonie Essen e. V.
ausgelobten Publikumspreis ausgezeichnet. Sein Stück Die Welt ist mein Herz wurde im Januar 2014 am Schauspiel Köln uraufgeführt (Regie: Rafael Sanchez). Mario Salazar lebt in Berlin.
Der Regisseur Tim Hebborn und seine Bühnenbildnerin Sophia Lindemann entwerfen mit vier Stationen – das Hotelzimmer, die heimische Küche, das Wohnzimmer mit Fernseher, der Westernsaloon – im TAMDREI ein Bühnenszenario, das einem Filmset nahe kommt und der »filmischen Montagetechnik« von
Mario Salazars Stück entspricht. Eine Kamera ist auf Annie gerichtet, die auf dem Sofa liegt und ihre Filme schaut. Die Atmosphäre der Westernhandlung wird vor allem durch Livemusik (Sebastian Graf und Lukas Graser) erzeugt.
Tim Hebborn
Bühne und Kostüme
Sophia Lindemann
Video
Konrad Kästner
Dramaturgie
Viktoria Göke
Mit
Isabell Giebeler, Sebastian Graf, Lukas Graser
Die nächsten
Vorstellungen
25.11., 28.11., 16.12,
19.12., 20.12.15; weitere
Termine in Planung
Karten
0521 / 51 54 54
www.theater-bielefeld.de