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Uraufführung: ELEKTRA – WAS IST DAS FÜR 1 MORGEN? - eine elektronische Kammeroper von Jacob Suske & Ann Cotten - Schauspielhaus Wien

Premiere am 31. Dezember 2017 / 19:00 Uhr

Lässt sich das Räderwerk von Hass und Vergeltung noch stoppen? Jacob Suske und Ann Cotten befragen in ihrer elektronischen Kammeroper die Verflechtungen von Liebe und Macht in einer dysfunktionalen Familie. Wie kaum eine andere Figur ist Elektra Gegenstand widersprüchlicher Erzählungen. Erstmals taucht sie in Homers »Ilias« auf, dann folgen Auftritte bei Sophokles, Aischylos, Euripides, Hofmannsthal, Strauss, Hauptmann, O´Neill, Sartre. Die unterschiedlichsten Autoren haben sich in den tiefen Stollen dieser fluchbeladenen Familiengeschichte begeben, um nach neuen Erkenntnissen und Deutungsmöglichkeiten zu suchen und ihre jeweiligen Realitäten im Spiegel des antiken Mythos zu befragen.

 

Die Darstellung Elektras changiert zwischen schicksalsergebener Heldin, eifersüchtiger Nebenbuhlerin der Mutter, naiver Anstifterin und aufrechter Kämpferin für Recht und Vaterland. Elektra, Tochter Agamemnons, des alten Haudegens und Trojabezwingers, Tochter der wendigen Klytaimnestra: Sie ist das letzte Glied in einer Kette von innerfamiliären Mordfällen.

Klytaimnestras Hass auf Agamemnon scheint keineswegs unberechtigt, tötet er doch ihren Gemahl sowie den gemeinsamen Sohn, bevor er sie schließlich heiratet. Neben den Kindern Iphigenie, Chrysothemis, Elektra und Orest, die aus der Ehe hervorgehen, sichert die erzwungene Verbindung Agamemnon den Thron von Mykene. Doch der Machtpolitiker hat weit größere Ambitionen: Er macht sich auf den Weg nach Troja, um die griechische Flagge über der Stadt zu hissen. Eine bleierne Flaute verhindert allerdings zunächst die Fahrt. Die Götter des Windes wollen Blut sehen. Und so opfert Agamemnon seine älteste Tochter Iphigenie: Er opfert die Familie auf dem Altar der Politik. Der Wind kommt und mit ihm der ruhmreiche Erfolg in der Schlacht. Die tief verletzte Klytaimnestra nutzt unterdessen die zehn lange Jahre währende Abwesenheit ihres Mannes zum Aufbau neuer Machtverhältnisse.

Mit Agamemnons Cousin Ägisth teilt sie fortan Bett und Thron. Ägisth hat mit Agamemnons Familie, den Atriden, eine blutige Rechnung offen. Der Fluch der Atriden fußt nämlich auf einem Bruderzwist zwischen Atreus und Thyestes, den Großvätern von Agamemnon und Ägisth, und zieht seine blutige Spur von Generation zu Generation. Als Agamemnon aus dem Krieg heimkehrt, ist der Tisch gedeckt und auf dem Speiseplan steht Rache. Unaufhaltsam dreht sich das gewalttätige Räderwerk aus Hass und Vergeltung weiter …

Ann Cotten springt lustvoll zwischen historischem Mythos und Gegenwart hin und her und stellt die Ideologien hinter den Handlungen der Figuren ins Zentrum ihres Interesses. Sie überprüft die Konsequenzen lang gesäten Hasses und gewalttätiger Worte. Als Ausgangspunkt wählt Cotten Euripides’ Elektra-Version. Diese ist die Einzige, in der Elektra selbst zur Mörderin wird. Seit dem Mord an Agamemnon sind Jahre vergangen. Elektra lebt auf Geheiß ihrer Mutter weit entfernt von den familiären Konflikten in einer Ehe mit einem Bauer und erträgt dies mit Geduld, Hingabe und im Zaum gehaltener Wut. Ihr Bruder Orest wurde noch als Kind ins Exil geschickt. Dennoch ist Elektras Glaube an die innere Berechtigung ihres Hasses nicht erloschen. Auch den Anspruch auf Macht und Privilegien will sie nicht begraben.

Die Jahre ziehen ins Land und Klytämnestra und Ägisth führen Mykene derweil als aufgeklärtes Herrscherpaar zu ungeahnter Blüte. Sie sorgen für soziale Gerechtigkeit, verfolgen eine friedfertige Politik – und halten die Kinder von Thron und Machtansprüchen fern. So scheint auf höchst umstrittenem ethischen Fundament dennoch der Weg frei für ein friedliches und prosperierendes Zeitalter. Doch als eines Tages Orest als in Harvard geschulter neoliberaler Unternehmer aus dem amerikanischen Exil heimkehrt und unvermittelt vor Elektra steht, brechen alle Dämme. Die Zeit für Elektras reaktionäre Revolution scheint gekommen …
 
Die Lyrikerin Ann Cotten wurde 1982 in Iowa geboren und wuchs in Wien auf. Sie veröffentlichte bisher die Gedichtbände »Fremdwörterbuchsonette« (2007), »Florida-Räume« (2011) und »Der schaudernde Fächer« (2013) für die sie u. a. vom SPIEGEL als »avancierteste deutschsprachige Lyrikerin unserer Zeit« gefeiert wurde. Ihre literarische Arbeit wird nicht nur in der Literaturszene, sondern auch in den Bereichen der bildenden Kunst und der Literaturwissenschaft geschätzt und wurde zuletzt mit dem Klopstock-Preis und dem Ernst-Bloch-Förderpreis ausgezeichnet. 2016 wurde sie für ihr jüngstes Werk, das Vers-Epos »Verbannt!«, für den Österreichischen Buchpreis nominiert.

Jacob Suske ist seit 2015 als Musiker und Dramaturg am Schauspielhaus Wien engagiert. »Elektra« ist seine erste Regiearbeit in Wien. 2015 entwickelte er am Theater Luzern das Format der »elektronischen Kammeroper«, das seine Anfänge dort mit »Orpheus. Factory« genommen hat.

Die Musik ist elektronisch, es singen Ensemblemitglieder des Schauspielhauses. Pathos ist ein legitimes Mittel und im Orchestergraben sitzt ein One-Woman-Orchestra (Live Electronics: Mirella Kassowitz).

  • Produktionsteam
  • Autor/in: Ann Cotten, Jacob Suske
  • Regie: Jacob Suske
  • Bühne & Kostüme: Patricia Ghijsens
  • Musik: Jacob Suske
  • Dramaturgie: Anna Laner
     

Besetzung: Jesse Inman, Sophia Löffler, Vassilissa Reznikoff, Sebastian Schindegger und Mirella Kassowitz
 

  • Di 02.01, 20:00 Schauspielhaus - Mi 03.01, 20:00 Schauspielhaus, 19:30 Einführung - Sa 06.01, 20:00 Schauspielhaus - So 07.01, 20:00 Schauspielhaus - Mi 10.01, 20:00 Schauspielhaus 19:30 Einführung - Do 11.01, 20:00 Schauspielhaus - Fr 12.01, 20:00, ENGLISH SURTITLES - Sa 13.01, 19:00 Schauspielhaus Achtung: Beginn 19:00 Uhr
  • Mi 14.02, 20:00 Schauspielhaus - Do 15.02, 20:00 Schauspielhaus - Fr 16.02, 20:00 Schauspielhaus - Sa 17.02, 20:00 Schauspielhaus

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