Es braucht Geld, um zu leben. Deshalb gehen sie weg - immigrieren nicht als Bürger, sondern als polnische Arbeitskräfte auf deutsche Bauernhöfe. Der Verdienst als Erntehelfer wird der Familie in die Heimat gesendet. Der Einsatz ist hoch: Ein Leben in zwei Welten ohne je in einer wieder ankommen zu können. Auch für die vermeintlich Beheimateten - Lena und Peter - bedeutet das Zusammentreffen dieser Lebensrealitäten eine Veränderung: einen Einbruch in bekannte Verhältnisse. Plötzlich scheint nichts mehr verlässlich zu sein, die Bezüge verschwimmen und die Fremde wird zu einem Lebensgefühl.
Die Autorin Claudia Grehn beschreibt in Zusammenarbeit mit der Autorin Lena Müller, deren Berichte aus dem Alltag einer kollektiv geführten Bäckerei in das Drama einflossen, die Folgen eines europaweiten Arbeitsmarktes. Politik kommt im Privaten an: Der Einzelne findet sich in einer scheinbar selbstverständlichen Welt wieder.
„Ernte" gründet sich auf einer engen Auseinandersetzung zwischen Claudia Grehn und Lena Müller. Beide Autorinnen haben sich intensiv über ihre Erfahrungen mit dem Thema ‚Arbeit’ innerhalb einer Leistungsgesellschaft ausgetauscht. Claudia Grehn arbeitete wiederholt als Erntehelferin und Lena Müller sammelte Erfahrungen in einem selbstverwalteten Betrieb. Aus diesen Blickwinkeln heraus entstand das Theaterstück „Ernte".
Claudia Grehn, geboren 1982 in Wiesbaden, studierte Russisch und Philosophie in Berlin und Hamburg. Seit 2005 absolviert sie den Studiengang "Szenisches Schreiben" an der Universität der Künste Berlin (UdK). Im Auftrag des Maxim Gorki Theaters in Berlin übersetzte sie 2007 gemeinsam mit Armin Petras das Stück "Gehen wir, der Wagen wartet" des russischen Autors Jurij Klavdiev. Im selben Jahr erhielt sie den Kleist-Förderpreis für Junge Dramatik für ihr Theaterstück "Heimlich bestialisch - I can't wait to love in heaven", das am Landestheater Tübingen uraufgeführt wurde. 2008 schrieb sie für das Münchner Akademietheater eine Dramatisierung des Romans "Stadt der Blinden" von Jose Saramago, die von Moritz Schönecker zur Wiedereröffnung der Reaktorhalle des Prinzregententheaters uraufgeführt wurde. Mit "Ernte" gewann sie den Stückemarkt 2010 des Theatertreffens.
Lena Müller, geboren 1982 in Berlin, arbeitete mehrere Jahre in Frankreich in einer Bäckereikooperative und hat in Paris einen Abschluss in Erwachsenenbildung gemacht. Seit 2006 studiert sie in Hildesheim am Institut für Literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft. Sie ist Mitherausgeberin der Zeitschrift Timult - Récits, analyses et critiques. "Ernte" ist ihre erste Mitarbeit an einem Theatertext.
AUTORENPORTRÄT: Am Freitag, 17. Dezember 2010 um 20.15 Uhr, stellen die Autorinnen Claudia Grehn und Lena Müller ihre Recherchezusammenarbeit im Gorki Studio Berlin vor.
Ausgezeichnet mit dem Förderpreis des Stückemarktes im Rahmen des Theatertreffens 2010, gestiftet von der Bundeszentrale für politische Bildung
Regie: Dominic Friedel Bühne: Natascha von Steiger Kostüme: Karoline Bierner, Dramaturgie: Nele Weber
Es spielen: Anne Müller (Lydia), Aenne Schwarz (Lena/Magda), Sabine Waibel (Anna); Johann Jürgens (Pawel), Horst Kotterba (Hermann), Matti Krause (Sascha), Robert Kuchenbuch (Peter)