Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
URAUFFÜHRUNG: JONA von Peter Hacks in WuppertalURAUFFÜHRUNG: JONA von Peter Hacks in WuppertalURAUFFÜHRUNG: JONA von...

URAUFFÜHRUNG: JONA von Peter Hacks in Wuppertal

Premiere: 6. November 2009, 20.00 Uhr im Kleinen Schauspielhaus

Wieso spielt ihn keiner? Während im Feuilleton, in der Literatur, ja selbst in der Musik die Wiederentdeckung von Peter Hacks in vollem Gange ist, halten die Theater sich noch bedeckt.

Ist es die ‚inkorrekte‘ politische Haltung des Biermann-Beleidigers und Ulbricht-Verehrers? Ist es die Scheu vor klassizistisch gebauten, gern aristotelischen Versdramen, die in ihrem scheinbar altmodischen Gestus so gar nicht in die zeitgenössische Theaterlandschaft passen wollen?

Von Hacks, der bis in die 70er Jahre hinein zu den meistgespielten deutschen Dramatikern gehörte, sind heute – sechs Jahre nach seinem Tod – noch Stücke unaufgeführt. Ein Hauptwerk ist darunter: JONA. Mit diesem „Trauerspiel“ in Blankversen, das im September 1989 in Druck ging, schreibt der zunehmend verzweifelte, doch trotz allem loyale Staatsdichter Hacks

gegen die „Staatsschlaubergerei“ Honeckers und den rapiden Verfall seiner DDR an, deren Untergang Hacks bereits Mitte der 80er Jahre kommen sah.

Wie so oft kleidet Hacks seine Fabel mythologisch-historisch ein: Der biblische Prophet Jona landet per Wal und wider Willen in Ninive und hat, von Gott beauftragt, über Bestand oder Untergang des dortigen, ganz und gar verkommenen Staatswesens zu befinden. Dessen Herrscherin Semiramis hält niederste Intrigen für Staatskunst, vermischt munter öffentliche und private Interessen und erhebt die Lüge zum Prinzip ihrer Politik. „Ninive“, so Jonas Fluch, „will nichts, nur bleiben.“

Bei allen historischen Anspielungen des Textes will die Inszenierung von JONA mehr sein als eine ostalgische Rückschau auf den Staatsbankrott der DDR; denn über den konkreten Schreibanlass hinaus dichtete Hacks eine überzeitliche Parabel, die sich auf jedes politische System im Verfall anwenden lässt. Die Dialektik von hoher (Vers-)Form und niedersten Beweggründen, klassizistischer Dramaturgie und überraschender Fabelführung ermöglichen eine groteske Inszenierungsform: wie geschaffen für die Spielfreude und den unverstellten Blick eines jungen Ensembles aus Absolventen der Folkwang-Hochschule Essen, Abteilung Schauspiel Bochum.

Inszenierung: Marc Pommerening

Bühne: Jürgen Lier, Marc Pommerening

Kostüme: Dorien Thomsen

Dramaturgie: Sven Kleine

Es spielen Studenten des Absolventenjahrgangs 2009.

Mit: Marie Bonnet, Corbinian Deller, Kim Doerfel, Mona Kloos, Sebastian Zumpe

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 11 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

PRÄZISE STRUKTUREN -- Neue CD: Schostakowitschs Präludien & Fugen op. 87 bei Pentatone/ Wer sie in S

Wer sie in Stuttgart mit Prokofieffs drittem Klavierkonzert erlebt hat, wird sie nicht vergessen. Die Rede ist von der russischen Pianistin Yulianna Avdeeva, die die Präludien und Fugen von Dmitri…

Von: ALEXANDER WALTHER

RITTERLICHER HUMOR -- Das Stuttgarter Ballett zeigt "Don Quijote" im Opernhaus STUTTGART

In diesem Ballett von Maximiliano Guerra nach Miguel de Cervantes kämpft ein junges Paar um seine Liebe. Gleichzeitig begegnen wir Don Quijote als Träumer mit einem unglaublichen Durchhaltevermögen.…

Von: ALEXANDER WALTHER

UNENDLICHKEIT DER KLANGWELT -- Liederabend mit Benjamin Appl im Ordenssaal bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Die Nacht in all ihren geheimnisvollen Facetten stand im Mittelpunkt dieses bemerkenswerten Liederabends mit Benjamin Appl (Bariton), der auch bei Dietrich Fischer-Dieskau studierte, was man seinen…

Von: ALEXANDER WALTHER

KOSMISCHES KLANGGEFÜHL -- Gustav Mahlers achte Sinfonie mit dem Staatsorchester Stuttgart unter Cornelius Meister

In der im Jahre 1907 vollendeten Partitur der Sinfonie Nr. 8 in Es-Dur von Gustav Mahler fließen laut Paul Bekker "kosmisches Klanggefühl, sozialistischer Formwille, künstlerisches Ethos in eines.…

Von: ALEXANDER WALTHER

SIBELIUS' HULDIGUNG AN DIE VIOLINE -- Meisterkonzert 2.0 der Carl-Flesch-Akademie im Weinbrennersaal des Kurhauses Baden-Baden

Wieder präsentierten hoffungsvolle Talente der Carl-Flesch-Akademie im Kurhaus ihr Können. Zu Beginn musizierte Sae Ito (29) aus der Klasse von Mate Szücs das recht wenig bekannte Konzert für Violine…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑