Was bewegt einen Menschen dazu, sich ein Jahr lang selbst in einen Käfig zu sperren, nicht zu sprechen, zu schreiben, Radio zu hören oder Fernsehen zu schauen? Eine Extremerfahrung, mit der Tehching Hsieh 1978 seiner Einsamkeit als illegaler Immigrant in Amerika einen radikalen künstlerischen Ausdruck verlieh.
Nach einem langen, kalten Winter in New York, den er in einem ungeheizten Appartement verbracht hatte, konzipierte er die erste seiner insgesamt vier One-Year-Performances. In seinem Studio in Tribeca baute er einen Käfig auf, in dem es nicht mehr gab als ein Bett, ein Waschbecken, einige wenige zum Leben notwendige Gegenstände. Von September 1978 bis September 1979 lebte er in dieser Isolation, ein Freund brachte ihm jeden Tag dasselbe Essen, so hatte Hsieh selbst es angeordnet, und alle drei Wochen durfte für zwei Stunden ein Besucher diesem außergewöhnlichen Experiment zuschauen.
Katharina Schmitt hat Tehching Hsiehs Selbstversuch in einen Theatertext überführt. Sie gibt dem Künstler, was er sich selbst versagte: sprachlichen Ausdruck. Eine Person namens Sam (so nannte er sich in New York) fasst in Worte, wie Hsieh dieses Jahr erlebt haben konnte. Eindrucksvoll wird ein Dasein fernab allen Lebens beschrieben, werden die Verwirrung, die Aggressionen, die körperlichen Nöte geschildert, die der Künstler durchleben musste und wollte. Er berichtet über seine Unfähigkeit, nach Ablauf des Jahres wieder in den Alltag zurückzukehren. SAM ist mehr als eine Verbeugung vor einem Künstler, der ungewöhnliche Wege beschritt und dafür viel zu wenig wahrgenommen wurde. Der Text beschreibt ganz grundsätzlich die menschliche Existenz im Spannungsfeld zwischen Individualität und sozialem Miteinander, die menschliche Einsamkeit inmitten einer immer hektischer werdenden Gesellschaft.
Katharina Schmitt wurde 1979 in Bremen geboren. Nach dem Abitur ging sie nach Prag und studierte dort von 2001 bis 2006 Schauspielregie an der Theaterfakultät der Akademie der musischen Künste. Seitdem inszeniert sie an Theatern in Tschechien und im deutschsprachigen Raum. Im Juni 2008 nahm sie am Forum Junger Autoren im Rahmen der Wiesbadener Biennale NEUE STÜCKE AUS EUROPA teil. Sie hat bereits mehrere Stücke veröffentlicht. SAM wurde 2010 zu den szenischen Lesungen der Autorentheatertage des Deutschen Theaters in Berlin eingeladen.
Die Aufführung von SAM ist eine Wanderung durch das Museum Wiesbaden. Sitzgelegenheiten sind vorhanden.
Im Rahmen von Fluxus Wiesbaden
Inszenierung Tilman Gersch
Kostüme Brigitte Lorenian
Dramaturgie Barbara Wendland
Mitarbeit Arthur Marx, Dorothea Lautenschläger
Mit: Franziska Beyer, Benjamin Krämer-Jenster