Ihr Text entfesselt die Wut, die zu ihnen geführt haben mag. Jene Wut, die in einer grandiosen
narzisstischen Selbstermächtigung alle Zweifel und jede Ohnmacht hinwegfegt zu einem: Das jetzt, das ist unser Moment! Ihr hattet eure Zeit, jetzt ist es unsere! Seht her und sterbt!
Wie stets allerdings schichtet Jelinek Bedeutungsebenen. Sie bleibt nicht stehen bei der blinden Wut islamistischer Terroristen, es ist ein vielstimmiger Wut-Chor. Die Stimmen deutscher Wutbürger sind darin ebenso enthalten wie die anderer „aufrechter“, „erwachender“ Europäer – oder jene des antiken Helden Herakles, der, von der Göttin Hera verwirrt, im Wahn die eigene Familie auslöscht. Auch die Wut der Autorin selbst mischt sich hinein.
Ihre Wut auf all die Ohnmächtigen angesichts des Terrors der Wut, die Wut auf die Wut-Dealer, auf die Populisten und Demagogen, die Wut auf die Wut-Hungrigen und -süchtigen, die Wut aber auf die eigene Ohnmacht, dass im Schreiben das Unbeschreibliche wieder nicht zu fassen zu kriegen, nicht verständlich zu machen sein wird. Aber: Ist Wut nur als Motor zur Zerstörung denkbar? Wie sie teilen, wie Ausgeschlossene, Abgehängte darin verbinden, ohne andere auszuschließen? Was könnte dann
nach ihr entstehen?
„Wut“ ist die inzwischen achte Zusammenarbeit der künstlerischen Wahlgemeinschaft von Elfriede Jelinek und Nicolas Stemann, Hausregisseur an den Kammerspielen. Vor vielen Jahren schon hat sie sich verbunden, in München, wo sie bisher noch nicht gemeinsam in Erscheinung getreten sind, wird sie fortgeführt.
Mit: Zeynep Bozbay, Thomas Hauser, Jelena Kuljic´, Daniel Lommatzsch, Annette Paulmann, Julia
Riedler, Franz Rogowski
Inszenierung: Nicolas Stemann
Bühne: Katrin Nottrodt,
Kostüme: Katrin Wolfermann,
Musik: Thomas Kürstner und Sebastian Vogel,
Video: Claudia Lehmann,
Licht: Jürgen Tulzer,
Dramaturgie: Benjamin von Blomberg
AUCH AM: 17. APRIL, 19 UHR, 19. APRIL, 19.30 UHR, 24. APRIL, 19 UHR, KAMMER 1