Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Volkstheater Wien: "Hiob" von Joseph Roth, österreichische Erstaufführung der Fassung von Koen TacheletVolkstheater Wien: "Hiob" von Joseph Roth, österreichische Erstaufführung der...Volkstheater Wien:...

Volkstheater Wien: "Hiob" von Joseph Roth, österreichische Erstaufführung der Fassung von Koen Tachelet

Premiere: 28. Mai 2010, 19.30 Uhr

Der gläubige Jude Mendel Singer fristet mit seiner Frau Deborah und den vier Kindern ein bescheidenes Dasein als Lehrer in einem kleinen wolhynischen Schtetl.

Zwar ist man umgeben von der fremden und feindlichen Welt des zaristischen, antisemitischen Russland. Zwar lebt man in einer weitgehend entrechteten Situation, in ständiger Pogrom-Angst und wachsender Armut. Doch scheint all das die Existenz der Familie nicht wirklich zu gefährden.

Erst als die alten, stark den ostjüdischen Traditionen verpflichteten Bindungen sich auflösen, kommt Leid über die Familie: Der älteste Sohn Jonas drängt zum russischen Militär, der zweite, Schemarjah, desertiert nach Amerika, die Tochter Mirjam lässt sich mit Kosaken ein und Menuchim, der Jüngste, scheint unheilbar krank. Ausgerechnet ihn, den Schwächsten, müssen die Singers in Russland zurückzulassen, als die Welt des Schtetls sich als nicht mehr tragfähig erweist. Denn sie planen, dem Sohn nach Amerika zu folgen. Doch die Schicksalsschläge, die dort auf sie warten, stellen Mendels Glauben auf eine harte Probe …

Hiob erzählt eine zeitlose Geschichte von der Auflösung familiärer Bindungen. Von den Fesseln der Tradition und den Verlockungen neuer Welten. Von Emigration und Assimilation. Und von Glaube und Verzweiflung. Schließlich klingt bereits im Titel die alttestamentarische Geschichte von Hiob, dem von Gott geprüften Dulder, an. Ein solcher – moderner – Hiob ist Mendel: ein „ganz gewöhnlicher Jude“, völlig passiv in seiner Gottergebenheit, der schließlich, vom Schicksal hart geschlagen, Gott durch Frömmigkeitsverweigerung zwingen will, ihn zu erretten.

1930 ist Joseph Roths Roman erschienen und wurde sofort ein weltweiter Erfolg. Zeitgenossen wie Ernst Toller oder Stefan Zweig lobten das Werk als „ein großes und erschütterndes Buch, dem sich niemand entziehen kann“ und „eine reine, vollkommene Dichtung, die alles zu überdauern bestimmt ist“ – auch die Barbarei der Nationalsozialisten, die Hiob, die Menschen und die Kultur, die der Roman schildert, verbrannten. So ist Hiob letztlich auch Zeugnis einer versunkenen Welt und ein Plädoyer für den unauslöschlichen Kern jüdischen Lebens und Glaubens.

Koen Tachelet hat 2008 für den Regisseur Johan Simons den Roman äußerst behutsam und mit viel Gespür für die Musikalität von Roths Sprache dramatisiert. Die österreichische Erstaufführung dieser Fassung übernimmt Michael Sturminger, dessen Inszenierung von Ibsens Peer Gynt in der letzten Spielzeit zu sehen war.

Regie Michael Sturminger

Bühne Ralph Zeger

Kostüme Nina Ball

Musik Gerald F. Preinfalk

mit Maria Bill, Andrea Bröderbauer; Patrick O. Beck, Till Firit, Günter Franzmeier, Arne Gottschling, Thomas Kamper

Musiker Christian Bakanic, Klemens Bittmann, Gerald F. Preinfalk

Weitere Termine:

30. Mai um 15 Uhr und 31. Mai 2010 um 19.30 Uhr

6. Juni um 15 Uhr und 2., 3., 8., 10., 12., 13., 18., 22. und 23. Juni 2010 um 19.30 Uhr

Wiederaufnahme im Herbst 2010

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 14 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

GEWALTIGE STEIGERUNGEN -- Stunde der Kirchenmusik beim Internationalen Orgelsommer mit Adriano Falcioni in der Stiftskirche STUTTGART

Adriano Falcioni studierte unter anderem an der Musikhochschule Freiburg und bei Marie-Claire Alain in Paris. Heute ist er Orgelprofessor am Konservatorium Claudio Monteverdi in Bozen. Zu Beginn…

Von: ALEXANDER WALTHER

INTERESSANTER WANDLUNGSPROZESS -- Neue CD "Bach vs. Scheibe" bei Berlin Classics

Dieser musikalische Disput ist nicht ohne Hintersinn. Im Jahre 1737 veröffentlichte der deutsch-dänische Komponist und Musikkritiker Johann Adolph Scheibe eine Glosse in seiner Zeitschrift "Der…

Von: ALEXANDER WALTHER

DAS WESEN DES MENSCHEN - "Die Meistersinger von Nürnberg" von Richard Wagner bei den Bayreuther Festspielen

Interessant ist, wie diese Inszenierung von Matthias Davids das Wesen des Menschen hinterfragt. Er fasst dieses Werk als kolossales Musiktheater auf. Und natürlich kommen die Wagnerschen…

Von: ALEXANDER WALTHER

GESCHICHTE WIRD AUF DEN KOPF GESTELLT -"Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!" von Peter Jordan und Leonhard Koppelmann beim Theatersommer LUDWIGSBURG

In der temperamentvollen Regie von Christine Hofer entwickelt die tragische Geschichte von Königin Marie-Antoinette und König Ludwig XVI. eine andere Wendung. Beide wurden ja bekanntlich während der…

Von: ALEXANDER WALTHER

DIE SCHLAUE FÜCHSIN UND VERGÜNSTIGTE KARTEN -- Staatsoper Stuttgart in der Saison 2025/2026

Als erste Neuproduktion zeigt die Staatsoper Stuttgart "I Did It My Way" am 26. September 2026 in Kooperation mit der Ruhrtriennale. Auf Basis der Musik Frank Sinatras und Nina Simones erzählen Lars…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche