Reinhard Keisers weitgehend vergessenes Meisterwerk DIE GROSSMÜTIGE TOMYRIS steht ab dem 19. September 2010 endlich wieder auf dem Spielplan eines deutschen Opernhauses. Die musikalische Leitung übernimmt Michael Schneider, der Gründer des Frankfurter Ensembles für Alte Musik La Stagione. Für die Inszenierung konnte das Stadttheater Gießen erstmals Roman Hovenbitzer gewinnen.
„Da ist kein Zwang, kein steifer Fleiß. Es fließt, es rührt; sonst könnts nicht taugen. Nur Lust ist da“, schrieb Johann Mattheson über seinen Komponistenkollegen Reinhard Keiser. Und tatsächlich gehört seine 1717 am Hamburger Theater am Gänsemarkt uraufgeführte Oper DIE GROSSMÜTIGE TOMYRIS zu den farbenreichsten Werken des deutschen Barock. Virtuose Arien mit halsbrecherischen Koloraturen stehen neben ergreifenden lyrischen Momenten und ein reich besetztes Orchester sorgt für große klangliche Vielfalt. Hinzu kommt, dass die Figuren mit ihren Gefühlen und Leidenschaften beinahe psychologisch gearbeitet sind, was der dramaturgischen Glaubwürdigkeit der Handlung sehr entgegen kommt.
Schon die Zeitgenossen rühmten das abwechslungsreiche Szenarium der Oper, das mit einem martialischen Opferfest zu Ehren des Kriegsgottes Mars beginnt und im weiteren Verlauf mit zahlreichen Tanzeinlagen, okkulten Geisterbeschwörungen und fliegenden Furien aufwartet. Nach mehreren Aufführungen im 18. Jahrhundert ist das Werk weitgehend in Vergessenheit geraten und wurde seither nur sporadisch aufgeführt, zuletzt vor über zwei Jahrzehnten in Ludwigshafen.
Die Handlung führt die Zuschauer mitten hinein in das Reich der barbarischen Skythen: Tomyris, verwitwete Königin der Messageten, hat mit ihrem Heer die Perser siegreich geschlagen. Kein Wunder, dass zahlreiche königliche Bewerber darum anhalten, Krone und Schlafgemach mit ihr zu teilen. Tomyris aber liebt den jungen Feldherrn Tigranes, der jedoch der schönen Meroë verfallen ist. Diese wiederum trachtet – als Tochter des getöteten Perserkönigs und Todfeindin der Königin – Tomyris nach dem Leben. Als Meroës Rache und Tigranes Liebe offenkundig werden, verlangt das Volk das Blut der beiden Verräter. Verfangen in den Fallstricken ihrer eigenen Gefühle, schwankt Tomyris nun zwischen politischen Zwängen und persönlichen Sehnsüchten. Getrieben, bedrängt und gehetzt muss sie schließlich eine Entscheidung fällen…
Musikalische Leitung: Michael Schneider | Inszenierung: Roman Hovenbitzer | Choreographie: Tarek Assam | Chor: Jan Hoffmann Bühne: Lukas Noll | Kostüme: Bernhard Niechotz
Mit: Carla Maffioletti, Odilia Vandercruysse; Patrick Henckens, Alexander Herzog, Matthias Ludwig, Tomi Wendt, Christian Zenker | Ensemble Animus | Tanzcompagnie Gießen | Chor des Stadttheater Gießen | Philharmonisches Orchester Gießen
weitere Vorstellungen 26. September, 1., 10., 31. Oktober, 18. November