Als einfacher Soldat lebt er am unteren Ende der Gesellschaft, schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch – rasiert seinen Hauptmann, schneidet Stöcke, mit denen Leute wie er geprügelt werden, ruiniert seinen Körper und seinen Verstand mit den Experimenten des Doktors. Als Marie sich dem Tambourmajor zuwendet, wird es Woyzeck zu viel, er tötet sie. In einer pervertierten Welt auf nachdrückliche Art human, ist der Mord an seiner geliebten Marie auch zwangsläufige Katastrophe eines verpfuschten Lebens.
Zugleich Sozialdrama und Fiebertraum eines klaustrophobischen Hirns, ist „Woyzeck“ eines der meistgespielten deutschsprachigen Theaterstücke, und gerade in Zeiten der Krise trifft man moderne Woyzecks an jeder Ecke. Wütend, deklassiert, gedemütigt.
Bei seinem frühen Tod 1837 hinterließ Georg Büchner „Woyzeck“ als Fragment, offen für Aneignungen. Der amerikanische Musiker Tom Waits – am 7. Dezember ist sein sechzigster Geburtstag – befasst sich seit den siebziger Jahren mit den Abgründen der menschlichen Seele und diagnostiziert in kleinen Songs große Katastrophen, herzergreifend sind seine Lieder von den Verlorenen und Verwundeten der Welt. Aktuell wird der Musiker, um den es lange still war und der jedoch nach wie vor eine Kunstfigur ist mit seinem Bowler-Hut, dem zerschlissenen Sacko und den klobigen Schuhen allerorten gefeiert: Mit seinem aktuellen Album „Glitter and Doom“, mit der Biografie von Barney Hoskyns und einem neuen Film im kommenden Jahr, in dem er den Teufel in „Das Kabinett des Doktor Parnassus“ spielt. In
Zusammenarbeit mit Robert Wilson, der 1990 mit Waits die musikalische Produktion „The Black Rider“ am Thalia zu dem Kassenschlager schlechthin machte, entstand bereits im Jahre 2000 eine musikalische Bearbeitung von „Woyzeck“ (uraufgeführt in Kopenhagen), die Waits als Album „Blood Money“
veröffentlichte. Waits’ Songs lassen ins Innere der Figuren blicken, seine Musik fügt dem zwischen Fiebertraum und Sozialdrama stehenden Text Büchners eine Dimension hinzu, leistet Widerstand gegen die Zumutungen der Existenz, gegen die Bilder einer kranken Welt.
Songs und Liedtexte Tom Waits/Kathleen Brennan
Textfassung Ann-Christin Rommen/Wolfgang Wiens
Regie Jette Steckel
Bühne Florian Lösche
Kostüme Pauline Hüners
Musik Gerd Bessler
Dramaturgie Susanne Meister
Ensemble Julian Greis (Karl – ein Idiot), Philipp Hochmair (Hauptmann), Felix Knopp (Woyzeck), Gabriela Maria Schmeide (Margreth), Maja Schöne (Marie), Josef Ostendorf (Tambourmajor), Jörg Pohl (Andres), Tilo Werner (Doctor) Musiker Gerd Bessler, Gabriel Coburger, Dieter Fischer, Johannes Huth,
Stephan Krause, Laurenz Wannenmacher
Karten 040. 32 81 44 44 / www.thalia-theater.de