Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Wuppertaler Bühnen: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER von Richard WagnerWuppertaler Bühnen: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER von Richard WagnerWuppertaler Bühnen: DER...

Wuppertaler Bühnen: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER von Richard Wagner

Premiere 18. September 2011, 18.00 Uhr im Opernhaus. -----

Die Tiefe des ausdeutbaren Raumes von Wagners Musikdramen führte in der Vergangenheit naturgemäß auch zu Bühneninterpretationen, die mitunter in interpretatorische Kraftmeierei ausbrachen.

Aber ähnlich wie die Shakespeare’schen Dramen halten die Wagner’schen viel aus, ohne dass die Substanz sich verflüchtigt. Der Holländer hat eine Aufführungstradition in der jüngeren Vergangenheit hinter sich, die sich subsumieren lässt unter dem Motto „Sentas Traum“. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass der Druck auf die Regie, die Geschehnisse um die sehnsuchtsvoll auf ihren Erlöser wartende Senta und den Holländer, für den sie wiederum als Erlöserin zum Tode fungiert, in irgendeiner plausibel-realistischen Interpretation dieser Verstiegenheiten darstellen zu müssen. Aber schon Brecht hat gesagt, dass Realismus die Darstellung von Wahrscheinlichkeiten sei – also sprach Sentas Traum immer nur davon, wie es sein könnte. Prekärer wird es, die Geschichte als reale zu behaupten. Und da werden die Kanten schärfer in der erzählerischen Konzentration auf zwei Menschen, die in einer gleichermaßen mythischen wie psychologischen Verstrickung agieren. Den Traum bevölkern Personen, die der Autor (der Träumer) inszeniert, hier haben wir es zu tun mit zwei Menschen, von denen der eine – der Holländer - ein externes Leben führt (symbolisiert in der Oper durch die Selbstverfluchung eines Menschen, der gegen Gott und Natur sich versteigt), der andere – Senta - auf dem besten Weg ist, sich in einen geistigen Raum zu flüchten, den sie ihren Leuten nicht mehr vermitteln kann und will. Beglaubigt wird diese Sicht im Werk, wenn Erik Senta seinen visionären Alptraum erzählt, der die Vereinigung von Senta und Holländer sieht. Am Ende muss Erik erkennen: „Der Traum ist wahr“.

 

Wenn die Geschichte so gesehen wird, fallen dem aufmerksamen Beobachter durchaus Menschen (Paare) ein, die eine ähnlich „exaltierte“ Wahl füreinander getroffen haben. Heinrich von Kleist und seine Freundin Henriette Vogel waren zwei Menschen, die in denkbar heiterster Entspanntheit den Tod als Erlösung vom Leben begriffen - Kleist war „auf Erden nicht zu helfen“, Henriette Vogel war unheilbar krebskrank. Das bei Wagner doch ein wenig ausgedachte und zurechtgezimmerte Mythische (das bei Heine noch so herrlich romantischironisch daherkam) lässt sich durchsichtig machen und öffnet den Blick auf zwei Menschen, die eine Grenze überschritten haben. Eine ähnliche Funktion wie der Holländermythos hat die mittelalterlich-mythische Maskerade in Kleists Stück Käthchen von Heilbronn, das sich als Parallelstück auch deshalb anbietet, weil da zwei Menschen sich in einer Sphäre treffen, die nicht Teil dieser Welt, aber auch explizit kein Traum ist.

 

Musikalische Leitung: Hilary Griffiths

Inszenierung: Jakob Peters-Messer

Bühne und Lichtdesign: Guido Petzold

Kostüme: Sven Bindseil

Choreinstudierung: Jens Bingert

Dramaturgie: Johannes Blum

 

Mit: Kay Stiefermann (Der Holländer), Michael Tews (Daland), Alison Oakes (Senta), Johan Weigel (Erik), Joslyn Rechter / Miriam Ritter (Mary), Boris Leisenheimer/Christian Sturm (Der Steuermann)

Statisterie der Wuppertaler Bühnen

Chor und Extrachor der Wuppertaler Bühnen

Sinfonieorchester Wuppertal

 

Die nächsten Vorstellungen sind am 22. und 25. September sowie am 02. / 19. / 22. und 28. Oktober 2011 im Opernhaus.

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 16 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

ZAUBER DER PANFLÖTE --- Neue CD "Impressions" bei Dabringhaus & Grimm

Als eine "Liebe auf den ersten Blick" bezeichnet Sebastian Pachel seine erste Begegnung mit der Panflöte, wovon man sich bei dieser Einspielung überzeugen kann. Für die vorliegende Aufnahme…

Von: ALEXANDER WALTHER

IM GESPENSTISCHEN NACHTZIRKUS --- "Das Rheingold" von Richard Wagner in der Staatsoper Stuttgart

Stephan Kimmig verlegt die Handlung von Wagners "Rheingold" in einen unheimlichen Nachtzirkus. Das merkt man schon gleich zu Beginn, wenn die Rheintöchter so ganz ohne Wasser Alberich verführen und…

Von: ALEXANDER WALTHER

Großstadtklänge --- „Surrogate Cities“ von Demis Volpi in der deutschen Oper am Rhein

Auf der leeren Bühne finden sich nach und nach das Orchester, die Tänzer und Tänzerinnen ein. Die Solo Posaune setzt ein und der Zuschauer wird in den Trubel der Straßen einer Großstadt versetzt. Zum…

Von: von Dagmar Kurtz

RÄTSEL UM ERLÖSUNG --- Wiederaufnahme von Richard Wagners "Götterdämmerung" in der Staatsoper STUTTGART

Die verdorrte Weltesche spielt bei Marco Stormans Inszenierung der "Götterdämmerung" von Richard Wagner eine große Rolle. Gleich zu Beginn zerfällt die Wahrheit in seltsame Visionen, der Blick der…

Von: ALEXANDER WALTHER

NICHT AUF DEN LITURGISCHEN BEREICH BESCHRÄNKT --- Bruckners e-Moll-Messe und Motetten bei BR Klassik

Anders als die frühe d-Moll-Messe blieb die 1866 in Linz komponierte e-Moll-Messe nicht auf den liturgischen Bereich beschränkt. Die alten Kirchentonarten stehen bei der Messe in e-Moll von Anton…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑