Gerhart Hauptmann (Und Pippa tanzt), August Strindberg (Ein Traumspiel), Henrik Ibsen (Hedda Gabler). Auch Alexander von Zemlinskys Bühnenwerke zeichnen sich durch schillernde Doppelbödigkeit aus. Da gehen harte biographische Fakten eine vielschichtige poetische Verbindung zu musikdramatischer Tradition und zeitgenössischer Avantgarde ein, Zeitkolorit wird maskiert durch Verlegung der Handlung in entlegene Jahrhunderte (wie die Florentinische Tragödie) oder zeitlose Märchenwelten (König Kandaules).
In Zemlinskys Florentinische Tragödie deutet sich bereits in den ersten Minuten eine Beziehungstragödie an im Dreieck zweier Männer und einer Frau – eine von Zemlinsky durchaus vielgenutzte Konstellation, und einige Interpreten sehen darin die Abbildung des amourösen Dreiecks Zemlinsky, Alma Schindler und deren späterem Ehemann Gustav Mahler. Zemlinsky, einer Vorlage von Oscar Wilde folgend, komponiert in spätromantisch-expressionistischem Furor (da klingt viel Strauss’sche Salome an) die lastende Situation, in der jeder der Beteiligten weiß, was gespielt wird, aber keiner einen offenen Schlagabtausch wagt. Ein florentinischer Tuchhändler kommt nach Hause, ertappt seine Frau und ihren Liebhaber, einen Prinzen, und tut demonstrativ so, als merke er nichts. Die Frau unterstützt ihren Liebhaber, doch als es zum Show-down kommt (das der Ehemann gewinnt)
wendet sich die Frau sofort ihm, dem Sieger, zu.
Ganz anders der zweite Teil dieses Doppelabends, der, außer der gemeinsamen Klammer Florenz, nur in Gegensätzlichkeiten und Oppositionen konzipiert ist. Puccinis einzige Komödie stützt sich auf einige magere Zeilen aus Dantes Divina Commedia und erzählt die Geschichte einer Familie, die sich, empört über das Testament des Familienältesten, der jeden von ihnen gleichermaßen nicht berücksichtigt hat, einem ungeachteten, jetzt womöglich hilfreichen Emporkömmling in die Hände gibt, Gianni Schicchi. Direkt aus der commedia dell’arte entsprungen, komponiert Puccini das Panorama einer boshaften und mit geradezu Molièrescher Tragikomik ausgestatteten, sich in ihre eigene Gier, Neid und Habsucht verwickelnde Familie, der diese Untugenden einen katastrophalen Ausgang bescheren. Entsetzt müssen sie beim bösen Spiel mitmachen, als Gianni Schicchi, der den Alten Buoso mimt, dem herbeigerufenen Notar ein neues Testament diktiert und nicht, wie
abgesprochen, die Konten der Familie füllt, sondern alles in seine eigene Tasche manövriert.
Puccinis Einakter ist Teil seines Tritticos, wird aber oft in andere Zusammenhänge gestellt.
Die Produktion der Wuppertaler Bühnen entwickelt aus der Gegensätzlichkeit der Geschichten, der Genres und der interessanten Unterschiedlichkeit der musikdramatischen Idiomatik zweier Werke, die fast im selben Jahr (1917/18) komponiert sind, einen Abend, der die vielfältigen Spiegelungen in
sich selbst zum Thema macht. Die Sängerbesetzung erlaubt jedoch auch andere erzählerische Parallelen und Engführungen.
Musikalische Leitung: Hilary Griffiths
Inszenierung: Johannes Weigand
Bühne: Moritz Nitsche
Kostüme: Judith Fischer
Dramaturgie: Johannes Blum
Mitwirkende
Eine florentinische Tragödie
Dominik Wortig, Kay Stiefermann, Joslyn Rechter
Gianni Schicchi
Jacek Strauch, Banu Böke, Diane Pilcher, Dominik Wortig, Christian Sturm, Dorothea Brandt, Malik
Karaca, Dariusz Machej, Thomas Schobert, Olaf Haye, Joslyn Rechter, Javier Zapata Vera, Mario del
Rio, Andreas Heichlinger, Jochen Bauer
Sinfonieorchester Wuppertal
Die nächsten Vorstellungen sind am 27. Juni sowie am 2. und 4. Juli 2010 im OPERNHAUS.