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Wuppertaler Bühnen: "Macbeth" von William Shakespeare

Premiere am 18. September 2010 im KLEINEN SCHAUSPIELHAUS

Macbeth ist — neben Hamlet und Lear — der schlagende Beweis dafür, dass Shakespeares Kunst die Psyche des modernen Menschen wie nie zuvor in ihrer ganzen Vielschichtigkeit auslotete – und sogar ihr eigentlicher Schöpfer war.

Welche andere seiner Dramengestalten kommt uns —auch 400 Jahre

nach ihrem ersten Auftritt — noch näher? Welche andere Figur löst bei uns dieses unangenehme Gefühl der Verwandtschaft im Bösen aus? Macbeth ist in seinem Beruf (dem blutigen Soldatenhandwerk) ein anderer als privat. Macbeth führt eine innige Beziehung zu seiner Frau. Er sorgt sich um die Zukunft, um seine Karriere und ist schließlich bereit, einen hohen Preis dafür zu zahlen. Das alles macht ihn menschlich, vor allem, weil er nicht ohne Skrupel und Gewissensbisse handelt.

Zum Ausgang einer für seinen König siegreich geschlagenen Schlacht gegen Aufständische, bei der sich Macbeth besonders hervortut, weissagen ihm drei Hexen nicht allein Beförderung, sondern gar die Königskrone. Ersteres tritt umgehend ein und spornt Macbeths Ehrgeiz nach der Krone an. Seine

Frau, die mit ihrem Gatten schon länger das Karriere-Projekt verfolgt, sieht sich durch das Orakel bestätigt und agitiert nun ihrerseits den zaudernden und zweifelnden Macbeth zum Königsmord; der allein trennt ihn noch von der Krone. Doch das verschworene Verbrecherpaar findet sich nach der Tat

— obwohl nun Königspaar — nicht am Ziel seiner Wünsche, sondern am Beginn eines schlaflosen Alptraums wieder. Die unrechtmäßige Basis seiner Herrschaft und die Angst vor dem Machtverlust treiben Macbeth in die Isolation und zu immer paranoideren Terrorakten gegen seine Umwelt. Die

Beziehung zerbricht. Es ist nicht nur die Entfremdung ihres Mannes, auch die unauslöschbaren Gewissensqualen führen die Lady in den Wahnsinn und Selbstmord. Am Ende ist Macbeth nichts als die reine, nihilistische Destruktivkraft.

Claudia Bauer fokussiert mit ihrer Konzeption in logischer Konsequenz ganz auf Macbeths Psychodynamik und die Dynamik einer außergewöhnlichen Liebesbeziehung. Macbeths überreiches Innenleben, seine Phantasien, Visionen, Träume und Ängste sind der Brennstoff seines Handelns. Der

Horror des Stückes ist ein Horror der Einbildungskraft. Bauers Inszenierung verdichtet dieses Psychogramm durch ihre Besetzungs- und Handlungskonzentration: die drei Hexen, Ausgeburten der macbeth‘schen Wunsch- und Wahnmaschine, verkörpern auch alle anderen Figuren in der Umgebung der Macbeths, die solchermaßen einen Parcours zur Macht durchlaufen und zu Probanten eines Psycho-Belastungstest werden. Die Fantasie des ‚Helden‘ bemächtigt sich unheilvoll seiner gesamten

Lebenswelt.

Macbeth markiert den Punkt, an dem Karriere und Aufstiegsstreben für das sich herausbildende neuzeitliche Individuum zu allein sinnstiftenden Horizont werden. Die damit einhergehenden seelischen und moralischen Deformationen seziert Shakespeare mit der Schärfe eines Rasiermessers und konfrontiert uns alle mit der Frage, wie weit wir für unsere innersten Antriebe und Glücksvorstellungen gehen würden.

Inszenierung: Claudia Bauer

Bühne & Kostüme: Patricia Talacko, Bernd Schneider

Dramaturgie: Sven Kleine

Mit:

Macbeth: Holger Kraft //// Lady Macbeth: Sophie Basse //// Hexen u.a.: Daniel Breitfelder a. G., Sebastian Stert a.G., Marco Wohlwend

Die nächsten Vorstellungen sind am 24. / 25. / 28. und 30. September sowie am 09. / 10. und 30. Oktober 2010 im KLEINEN SCHAUSPIELHAUS.

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