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Zwei Premieren im Schauspiel Chemnitz

"gefesselt" nach Federico García Lorcas Drama „Bernarda Albas Haus“

Premiere: 17. März 2017, 20.00 Uhr im Schauspielhaus Chemnitz / Ostflügel

und

"Kunst" von Yasmina Reza

Premiere: 18. März 2017, 19.30 Uhr im Schauspielhaus Chemnitz / Große Bühne

"gefesselt" nach Federico García Lorcas Drama „Bernarda Albas Haus“

Premiere: 17. März 2017, 20.00 Uhr im Schauspielhaus Chemnitz / Ostflügel

Regie, Bühne und Spielfassung: Silke Johanna Fischer

Kostüme: Elżbieta Terlikowska

Mit: Steffi Baur*, Magda Decker, Cathrine Dumont*, Christine Gabsch, Katka Kurze, Florence Matousek (* Schauspielstudio Chemnitz)

Zu Stück und Inszenierung

Federico García Lorca (1898-1936) erlebte die Premiere seines Dramas „Bernarda Albas Haus“ nicht mehr. Er wurde 1936 auf offener Straße von spanischen Faschisten erschossen. In seinem nachgelassenen, weltberühmten Theaterstück legt er am Beispiel einer Familie Strukturen von Gewaltherrschaft frei.

Der Herr des Hauses ist gestorben und die Witwe, Bernarda Alba, verordnet eine mehrjährige Trauer für ihre fünf Töchter. Einzig die Älteste darf Hoffnungen auf eine baldige Heirat haben, allen anderen ist jeglicher Kontakt zu Männern verboten. Bernarda riegelt nach innen brutal ab, damit nach außen alles hübsch korrekt erscheint und keine üble Nachrede den ehrbaren Ruf der prüden Festung schmälert. Mit der vollen Wucht einer erstarrten Moral gibt sie die eingeübten Gewaltmechanismen an die Töchter weiter. Diese unterwerfen sich entweder oder revoltieren.

In ihrer Spielfassung verlegt Regisseurin Silke Johanna Fischer Lorcas berühmtes Drama in das Innere einer seelisch wunden Frau, genauer ins Innere Adelas, der jüngsten Tochter. Die Mutter ist seit vielen Jahren tot und eigentlich wäre Adela frei, das Leben nach eigenem Wollen auszukosten, denn keine reale Repression lastet mehr auf ihr. Doch das inhalierte Korsett der Mutter schnürt sie weiterhin ein und betoniert ihre Freiheit. Ihr Dasein wird bestimmt von inneren Stimmen vergangener, schrecklicher Erfahrungen. Adela kämpft ohnmächtig gegen diese Stimmen, aber sie weiß nicht, ob ihre Träume, Gedanken und Stimmen die richtigen sind. Allein die (innere) Großmutter Maria Josefa scheint an ihrer Seite zu stehen. Letztlich entledigt sich Adela mühsam der inneren Gewalt und lässt die innere Mutter hinter sich. – In der Kammer des Ostflügels bringt ein reines Frauenteam das Drama Adelas auf die Bühne, in einem Raum, der einem Traum entsprungen scheint, voller Verzerrungen und irrationalen Möglichkeiten.

***

"Kunst" von Yasmina Reza

Deutsch von Eugen Helmlé

Premiere: 18. März 2017, 19.30 Uhr im Schauspielhaus Chemnitz / Große Bühne

Regie: Alexander Flache

Bühne und Kostüme: Petra Linsel

Musik: Marco De Haunt

Mit: Marko Bullack, Christian Ruth, Philipp von Schön-Angerer

Zu Stück und Inszenierung

Dermatologe Serge hat sich ein Bild gekauft. Ein monochromes Bild mit weißem Untergrund und feinen weißen Querstreifen. Für eine sechsstellige Summe. Sein guter Freund Marc ist entsetzt über diese „Kunst-Scheiße“, was er auch ziemlich deutlich äußert. Nun ist Serge beleidigt, während Yvan, der Dritte im Bunde der langjährigen Männerfreundschaft, zwar irgendetwas in dem Bild zu sehen meint, vor allem aber zwischen beiden vermitteln will, um die Wogen zu glätten. Das katapultiert ihn allerdings mitten hinein in den Streit seiner beiden Freunde, in dem es längst nicht mehr um die Kunst geht. Das Bild dient lediglich als Katalysator, um tiefsitzende Vorurteile kompromisslos auf den Tisch zu bringen und festgefahrenen Wertevorstellungen äußerst humorvoll zu zerlegen.

Die französische Autorin Yasmina Reza (*1959) entwirft in „Kunst“ eine bissig-ironische und psychologisch feine Studie unserer Gesellschaft. Die Komplexität unseres Lebensalltags seziert sie in einer atmosphärisch dichten und situativ-durchkomponierten Spielanlage und lässt Werte- und Lebensvorstellungen aufbrechen, die häufig von anderen abhängig gemacht und wie selbstverständlich akzeptiert werden, während man im Grunde genommen aneinander vorbeilebt. Das geschieht konfliktreich und humorvoll zugleich, auch wenn Serge, Marc und Yvan längst vergessen haben, wie man gemeinsam lacht. Mit der Erkenntnis dessen beginnt der Boden ihrer Freundschaft zu wackeln, bis sie sich schließlich eingestehen müssen, dass sie gar nicht mehr wissen, was diese überhaupt ausmacht. Das weiße Bild dient als konfliktreicher Auslöser und legt Positionen und Meinungen frei, die sich über die Jahre längst in andere Richtungen entwickelt haben. Wer am Ende recht hat und wer nicht, bleibt offen. Denn ebenso wie sich die Kunst selbst einer allgemeingültigen Bewertung entzieht, lässt sich auch eine Freundschaft nicht nach objektiven Maßstäben messen – sie ist viel zu eng mit der eigenen Sicht auf die Welt verknüpft.

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