Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"§301 - Die beleidigte Nation" - 5 PERFORMANCES im BALLHAUS NAUNYNSTRASSE Berlin"§301 - Die beleidigte Nation" - 5 PERFORMANCES im BALLHAUS NAUNYNSTRASSE..."§301 - Die beleidigte...

"§301 - Die beleidigte Nation" - 5 PERFORMANCES im BALLHAUS NAUNYNSTRASSE Berlin

PREMIERE: 14.1.2012, 19 und 21.30 Uhr. -----

Der armenisch-türkische Journalist und Schriftsteller Hrant Dink wurde 2006 als erster explizit wegen "Beleidigung des Türkentums" nach § 301 zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Am 19. Januar 2007 wurde er vor dem Sitz seiner Redaktion Opfer eines politischen Attentats.

Wenige Wochen vor seiner Ermordung war er Gast einer politischen Talkshow im türkischen Privat-fernsehen gewesen, deren Gegenstand Artikel 301 des türkischen Gesetzbuchs war und in der er indirekt bedroht wurde.

 

Für § 301 – Die beleidigte Nation nehmen die KünstlerInnen Züli Aladağ, Mıraz Bezar, Silvina Der-Meguerditchian, Hans-Werner Kroesinger und Hakan Savaş Mican – fünf Jahre nach Dinks Ermordung – diese Talkshow als Ausgangs-punkt für eine persönliche Auseinandersetzung mit Bruchlinien innerhalb der türkischen Gesellschaft und stellen Fragen nach Nationalismus, Öffentlichkeit und Meinungsfreiheit, die uns alle angehen.

 

Wer die türkische Nation, den Staat der Türkischen Republik, die Große Nationalver-sammlung der Türkei, die Regierung der Türkischen Republik und die staatlichen Justizor-gane öffentlich herabsetzt, wird mit sechs Monaten bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. (Türkisches Strafgesetzbuch, Artikel 301, Absatz 1, Fassung 2008)

 

Der Art. 301 TCK geht auf den Art. 159 des alten türkischen Strafgesetzbuches zurück, das 1936 weitgehend vom italienischen „Codice Rocco“ Mussolinis kopiert und seitdem häufig verändert wurde. Bis zur Aktualisierung im Jahr 2008 stellte der 2005 eingeführte Artikel 301 „die Beleidigung des Türkentums“ unter Strafe.

 

Für einen Zeitungsartikel vom 13. Februar 2004 wurde Hrant Dink am 8. Oktober 2005 als erster explizit wegen „Beleidigung des Türkentums“ nach Artikel 301 zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Wenige Wochen vor seiner Ermordung war Dink Gast einer politischen Talkshow im türkischen Privatfernsehen gewesen, in der er indirekt bedroht worden war. Gegenstand der Talkshow war Artikel 301 des türkischen Gesetzbuchs.

 

Fünf Jahre danach widmet das Ballhaus Naunynstraße den Performance-Abend § 301 – Die beleidigte Nation nun seinem Gedenken und unserem Denken: Die bildende Künstlerin Silvina Der-Meguerditchian rückt mit ihrer Videoarbeit DEEP SEA FISH verborgene Schichten ehemaligen Istanbuler Lebens ins Licht. Der Filmemacher Züli Aladağ sucht in Momentaufnahmen der Talkshow NEDEN („Warum“) das neuralgische Moment eines Lan-des und thematisiert mit dem Völkermord eines seiner größten Tabus. In THE TV NEXT DOOR untersucht der Theaterregisseur Hans-Werner Kroesinger, was es bedeutet, wenn das von Hrant Dink eingeforderte Recht auf Kritik zu uns nach Hause übertragen wird, in die Wohnung unseres Nachbarn, und öffentliches Sprechen einen Mann zur Ziel-scheibe macht. Der Film- und Theaterregisseur Mıraz Bezar bringt mit SPIEGELUNGEN in Gedanken die Protagonisten des Mordes zusammen und richtet seinen Blick auf die Be-trachter der Geschehnisse. Hakan Savaş Mican, Film- und Theatermacher, inszeniert in REACHING THE LEVEL OF CONTEMPORARY CIVILIZATIONS 2 die nationale Sehn-sucht nach einer rein türkischen Automarke als ein Gedankenspiel über Ersoy, das erste türkische Auto, und seine verwirrte Fahrt durch die verlorenen Städte und Straßen Anato-liens.

 

Im Foyer des Ballhaus Naunynstraße sind für die Dauer des Projektes Silvina Der-Merguerditchians Werke Repression Carpet (2002) und Made in Turkey (2005) zu sehen sowie neue Arbeiten der Reihe Geleerte Wörter - Geleerte Bilder, die speziell für § 301 entstehen.

 

Der fünfte Jahrestag seiner Ermordung am 19. Januar steht ebenfalls ganz im Zeichen des Gedenkens an Hrant Dink. Neben einer Lesung aus dem Roman Die Richter des jüngsten Gerichts des Schriftstellers und Menschenrechtlers Doğan Akhanlı zeigt das Ballhaus den in Cannes mit einer goldenen Palme prämierten Kurzfilm Chienne d’histoire (Hundeelend) von Serge Avédikian. Der Abend wird von der Sängerin Alina Manoukian musikalisch umrahmt, die am 29. Januar auch mit einem Solo-Konzert im Ballhaus Naunynstraße zu erleben ist.

 

5 PERFORMANCES

VON ZÜLI ALADAĞ, MIRAZ BEZAR, SILVINA DER-MEGUERDITCHIAN, HANS-WERNER KROESINGER, HAKAN SAVAŞ MICAN

 

DRAMATURGIE: TUNÇAY KULAOĞLU, IRINA SZODRUCH

 

MIT: ZÜLİ ALADAĞ, MELEK ERENAY, FABIAN JOEST PASSAMONTE, MURAT

KARABEY YILMAZ, PETER VON STROMBECK, PAUL WOLLIN, MEHMET YILMAZ

 

VORSTELLUNGEN: 15. und 20.-22.1.2012, 19 und 21.30 Uhr, 16.-18.1.2012, 20 Uhr

 

Ein Projekt von Kultursprünge im Ballhaus Naunynstraße gefördert durch die Einzelprojektförderung des Landes Berlin und den Fonds Darstellende Künste

 

 

 

 

 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 20 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EXPLOSIVE KLANGMISCHUNG -- "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky bei NAXOS (BR KLassik)

Nicht sonderlich erfolgreich geriet die Stuttgarter Uraufführung der einaktigen Oper "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky im Jahre 1917 unter der Leitung von Max von Schillings. In…

Von: ALEXANDER WALTHER

Die ganze Wahrheit? -- „True Crime“ - Andrey Kaydanovskiy | Hege Haagenrud | Demis Volpi in der Deutschen Oper am Rhein

Drei tänzerische Perspektiven zu Wahrheit und Fiktion: Andrey Kaydanovskiy „Chalk“, Hege Haagenrud „The Bystanders“, Demis Volpi „Non-Fiction Études“  

Von: Dagmar Kurtz

SZENEN OHNE ILLUSIONEN -- "Tosca" von Giacomo Puccini in der Staatsoper Stuttgart

Kann Kunst unsere Wirklichkeit beeinflussen? Diese Frage steht als zentrales Thema im Zentrum der Inszenierung von Willy Decker, dessen Figuren sich in Puccinis "Tosca" in einem schwarzen Kasten…

Von: ALEXANDER WALTHER

RETTET DIE FRAUEN! -- Premiere "Zertretung" von Lydia Haider im Schauspiel Nord STUTTGART

Die 1985 in Oberösterreich geborene Lydia Haider hat hier einen radikalen Text vorgelegt, der zuweilen an Rainald Goetz erinnert. Die zentrale Frage lautet: Wie geht man mit einem System um, das…

Von: ALEXANDER WALTHER

ATEMLOSE HÖHENFLÜGE -- SWR Symphonieorchester mit Busoni und Sibelius im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Zwei unterschiedliche Zeitgenossen standen diesmal im Zentrum: Jean Sibelius und Ferrucio Busoni. Immerhin weiß man, dass beide in Helsinki Schumanns Klavierquintett in Es-Dur gemeinsam musizierten.…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑