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Berliner Ensemble: Kurt Tucholsky zur Finanzkrise

Das BERLINER ENSEMBLE hat den scharfsinnigen deutschen Lyriker Kurt Tucholsky gebeten, einen aktuellen Kommentar zur heutigen Wirtschafts- und finanziellen Weltlage abzugeben:

 

Wenn die Börsenkurse fallen,

regt sich Kummer fast bei allen,

aber manche blühen auf:

Ihr Rezept heißt Leerverkauf.

 

 

Keck verhökern diese Knaben

Dinge, die sie gar nicht haben,

treten selbst den Absturz los,

den sie brauchen – echt famos!

 

Leichter noch bei solchen Taten

tun sie sich mit Derivaten:

Wenn Papier den Wert frisiert,

wird die Wirkung potenziert.

 

Wenn in Folge Banken krachen,

haben Sparer nichts zu lachen,

und die Hypothek aufs Haus

heißt, Bewohner müssen raus.

 

Trifft’s hingegen große Banken,

kommt die ganze Welt ins Wanken

auch die Spekulantenbrut

zittert jetzt um Hab und Gut!

 

Soll man das System gefährden?

Da muss eingeschritten werden:

Der Gewinn, der bleibt privat,

die Verluste kauft der Staat.

 

Dazu braucht der Staat Kredite,

und das bringt erneut Profite,

hat man doch in jenem Land

die Regierung in der Hand.

 

Für die Zechen dieser Frechen

hat der Kleine Mann zu blechen

und – das ist das Feine ja –

nicht nur in Amerika!

 

Und wenn Kurse wieder steigen,

fängt von vorne an der Reigen –

ist halt Umverteilung pur,

stets in eine Richtung nur.

 

Aber sollten sich die Massen

das mal nimmer bieten lassen,

ist der Ausweg längst bedacht:

Dann wird bißchen Krieg gemacht.

 

PS: Diese hellsichtige Analyse stammt allerdings schon aus dem Jahre 1930.

Kurt Tucholsky, 1930, veröffentlicht in "Die Weltbühne"

 

 

 

 

 

 

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