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Berliner Festspiele: "Immersion. Der Anfang: Analoge Künste im digitalen Zeitalter"

Ab 19. Oktober 2016. -----

Die Berliner Festspiele starten ein neues Format, das vornehmlich im Haus der Berliner Festspiele und im Martin-Gropius-Bau stattfindet. In dem auf drei Jahre angelegten Programm „Immersion“ werden in regelmäßiger Folge künstlerische Arbeiten zur Aufführung und Ausstellung gebracht – als Performance oder Skulptur, Choreografie, Virtual Reality Experience oder Narrative Space.

Das Format beginnt Mitte Oktober mit dem Untertitel „Analoge Künste im digitalen Zeitalter“ und den Fragen: Wie, seit wann und durch was verändert sich künstlerische Produktion unter dem Eindruck der Digitalisierung? Lässt sich die konventionelle Trennung der Welt in digital und analog überhaupt noch aufrechterhalten? Fangen wir mit der Beerdigung eines alten Zeitalters an?

 

Immersiv sind ästhetische Phänomene, wenn man dem Kunstwerk nicht mehr gegenüber steht, sondern in das Werk eintritt. Das Programm stellt zunächst Werke vor, die in der „realen“ Welt mit „analogen“ Dingen geschaffen werden – als Aufführungen von Räumen, choreografierte Führungen durch imaginäre Welten oder Ausstellungen im Grenzbereich des Formats. Die Besucher*innen schauen hier nicht auf das Werk, sondern werden in ihrer Anwesenheit bewusst wahrgenommen und zum „passiv-aktiven“ Teil der Arbeit. Somit verändert sich die Rolle der Besucher*innen – von der distanzierten Beobachtung zur situativen Koproduktion eines Kunstwerks. Das Trägermedium scheint in dem Augenblick zu verschwinden, da man in das Werk eintaucht. Tendenziell entstehen so Welten ohne Außen: Stets erfassen immersive Werke die Totalität des erlebten Raumes und nicht nur den Teilbereich einer Bühne. Durch diese spezifische Rezeptionssituation wird der Affekt zu einer zentralen Erlebniskategorie. Solche auf eine immersive Situation angelegten Kunstwerke finden sich im Theater, der Musik, der Bildenden Kunst und vor allem in den digitalen Künsten einschließlich der Virtual Reality. Ziel des neuen Programms der Berliner Festspiele ist, die ästhetischen Entwicklungen in diversen Disziplinen zusammenzuführen, für das Publikum erfahrbar zu machen und in einem mehrjährigen Diskurs kritisch zu reflektieren.

 

Das Programm startet am 19. Oktober mit einem neuen „Narrative Space“ von Mona el Gammal. Mit „RHIZOMAT“ schreibt die 1986 geborene Szenografin ihre Arbeit „HAUS//NUMMER/NULL“ (eingeladen zum Stückemarkt des Theatertreffens 2014) fort und dringt tiefer in die darin skizzierte zukünftige Welt ein. An einem unbekannten Ort betritt der/die Besucher*in eine Parallelwelt, in der das RHIZOMAT aus dem Untergrund gegen die Übermacht des monopolisierenden, alles überwachenden „Instituts für Methode“ arbeitet. Zwischen Dystopie und Utopie, zwischen Gehorsam und Freiheit erfährt der/die Besucher*in ganz auf sich gestellt die Räume und begegnet den Figuren anhand ihrer zahllosen Spuren. Der geheime Veranstaltungsort gehört zum Spiel.

 

Am 27. Oktober eröffnet im Martin-Gropius-Bau „Symphony of a Missing Room“, ein transdisziplinäres Projekt von Lundahl & Seitl, das den Fokus auf die Wahrnehmung des Zuschauers legt. Mit geschlossenen Augen werden die Besucher*innen von der körperlosen Stimme und der Berührung eines ätherischen „Guides“ geführt. Befreit von Raum und Zeit erleben die Besucher*innen das Unvorstellbare: Sie gehen durch Wände, durchqueren Tunnel und reisen dabei durch ein Netzwerk aus vergangenen Ausstellungen und jenen Museen, die „Symphony of a Missing Room“ zuvor beherbergten. Die Wahrnehmungen der Besucher*innen sind das einzige Medium dieser Arbeit: ein geschlossenes System, in dem Realität gänzlich dem Wahrnehmenden als eine Form von Projektion entspringt.

 

Am 18. November eröffnet Omer Fast – einer der markantesten Film- und Videokünstler seiner Generation – unter dem Titel “Reden ist nicht immer die Lösung” eine große Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, kuratiert von Gereon Sievernich. Omer Fast kreiert in seinen Filmen eine Narration, die die Grenzen zwischen eigener und medialer Erzählung sowie aktueller und historischer Ereignisse in Frage stellt. Sein Werk verweist auf die Durchlässigkeit zwischen Dokumentation und Fiktion. Im Rahmen von „Immersion“ zeigt er sieben seiner Projekte: „CNN Concatenated“ von 2002, „Godville“ von 2005, „Looking Pretty for God (nach G.W.)“ von 2008, „5000 Feet is the Best“ von 2011, „Continuity“ von 2012, „Spring“ von 2016 sowie ein für die Ausstellung entwickeltes weiteres Werk. Ausgangspunkt des in 3D aufgenommenen neuen Projektes sind Leben und Werk des bekannten Kölner Fotografen August Sander (1876–1964). In surrealen Traumsequenzen wird der Künstler am Ende seines Lebens vom Tod seines Sohnes und seiner fotografierten Figuren heimgesucht.

 

Vom 18.–20. November findet die erste „Schule der Distanz“ im Martin-Gropius-Bau statt. Ein zentrales Thema immersiver Erfahrungen ist die Distanz, die zwischen Kunstwerk und Publikum neu vermessen wird. Gewohnte Sicherheitsabstände verschwinden, die Kunst lässt sich mehr denn je anfassen, modellieren und beeinflussen. Es entstehen ungewohnte Naherfahrungen und in Reaktion darauf auch neue Distanzierungen, Infragestellungen und Bewusstwerdungsprozesse. Die „Schule der Distanz“ versteht sich als eine Apparatur zum bewussten und wissenden Umgang mit Erfahrungen der Immersion. Mit Beiträgen aus Kunst und Wissenschaft verhandeln Akteure aus diversen Feldern Fragen des Eintauchens und Auftauchens, der Nähe und der Distanz – sei es durch Vorträge oder künstlerische Arbeiten. Für das Programm neu entwickelte künstlerische und wissenschaftliche Beiträge von: Ed Atkins, Omer Fast, Oliver Grau, David Helbich, Gwen Jamois, Finn Johannsen, Annika Kahrs, Doris Kolesch, Alexis Le-Tan, Shintaro Miyazaki, Nguyễn Phương-Đan, David Weber-Krebs, Eike Wittrock mit Studierenden der Universität Hildesheim und Stefanie Wenner.

 

Das Programm „Immersion“ wird im Sommer und Herbst 2017 mit neuen thematischen Fokussierungen fortgesetzt, unter anderem mit großen Arbeiten von Rimini Protokoll, Ed Atkins und Jonathan Meese/Bernhard Lang.

 

Das gesamte Programm für 2017/2018 stellen wir im Rahmen eines Pressegesprächs im Frühjahr 2017 vor.

 

Termine 2016

 

Mona el Gammal „RHIZOMAT“

Der Spielort wird nach Erwerb der Eintrittskarte bekannt gegeben

19.10. – 04.12.2016, SO bis DO 12:52–00:42 Uhr, FR bis SA 14:32–02:22 Uhr

 

Lundahl & Seitl „Symphony of a Missing Room“

Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin

27.10. – 20.11.2016, MO bis FR 12:00–18:15 Uhr, SA+SO 11.15–18:15 Uhr,

DI geschlossen

 

Omer Fast: “Reden ist nicht immer die Lösung”

Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin

18. November 2016 – 12. März 2017, MI bis MO 10:00–19:00 Uhr,

DI geschlossen

 

„Schule der Distanz No. 1“

Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin

18. – 20.11.2016, 18:00 bis 0 Uhr

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