
In der Festspielsaison 2014, der letzten von David Pountney als Intendant in Bregenz, richtet sich der Fokus auf Reichtum, Armut, Charme, Korruption, Heiterkeit und Neurosen, Kultiviertheit und Abartiges, Sensibilität und Sentimentalität, Freundlichkeit und Falschheit – kurz, auf die vielschichtigen Gegensätze von Österreichs legendärer Hauptstadt Wien. Bregenz scheint ein geeigneter Ort, um so eine Betrachtung anzustellen. Denn innerhalb Österreichs liegt die Vorarlberger Landeshauptstadt so weit wie möglich von Wien entfernt. Das bietet den Vorteil, mit dem langen Löffel aus dem - manchmal übersüßen - Honigtopf dieser Stadt naschen zu können.
Die Zauberflöte ist ein wunderbar süßes Wiener Relikt, das aber genauso überaus bittere Momente in sich trägt. Das für seinen Charme und Humor berühmte Werk beinhaltet zwei Selbstmordversuche und eine versuchte Vergewaltigung. Wien wird oft als Stadt mit zwei Gesichtern beschrieben. Das liegt vor allem in ihrer Gepflogenheit begründet, einerseits fröhlich zu lachen, während andererseits der tödliche Stich in den Rücken erfolgt. Die Stadt ist in der Tat janusköpfig, da Wien ein Höchstmaß an westeuropäischer Kultur verkörpert und gleichzeitig mehr als nur ein Hauch des Balkans in ihr weht.
Der weniger süße, sondern vor allem bittere Gegenpol dieser Expedition in diese Stadt hat seinen Ursprung im östlichen Teil des Kaiserreichs, bitterscharf erzählt von Schriftsteller Ödön von Horváth. Im Titel dessen brillanter Satire Geschichten aus dem Wiener Wald scheint die Zuckersüße eines Johann Strauss (Sohn) durch, bevor im Stück hinter dem netten Lächeln ein abscheulich falsches Gesicht demaskiert wird. Heinz Karl Gruber – selbst ein legendärer Chansonnier und Erbe in der Tradition von Kurt Weill – ist der perfekte Komponist, um dieses Werk auf die Opernbühne zu bringen. Als überlebensgroße Theaterfigur porträtiert er mit Virtuosität und Humor die reizendsten Charakterzüge seiner Heimatstadt Wien.
Der Name von Kurt Weill schließt den Kreis zum Start von Pounneys Intendanz im Jahr 2004, als zwei seiner Werke die damalige Festspielsaison eröffnet hatten. Seither wurden die unterschiedlichsten Orte besucht. Einige waren voller Lachen wie Belmonts Frauen in Der Kaufmann von Venedig, andere waren dunkel und voller Verzweiflung wie die Frauen von Auschwitz in Die Passagierin. Doch immerzu gilt: Sollten uns die aufgesetzte Freundlichkeit und die Neurosen Wiens zu viel werden, können wir sie vom belebenden Wasser des Bodensees wegwaschen lassen.
Die Bregenzer Festspiele 2014 finden vom 23. Juli bis zum 25. August 2014 statt.
Tickets und Infos unter +43 (0)5574 407-6 und www.bregenzerfestspiele.com.