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Der verführte VerführerDer verführte VerführerDer verführte Verführer

Der verführte Verführer

"Don Giovanni" von Wolfgang Amadeus Mozart in der Deutschen Oper am Rhein

Copyright: Hans Jörg Michel

Don Giovanni der Verführer, der ewige Frauenheld? Karoline Gruber wirft in ihrer Insze¬nierung für die Deutsche Oper am Rhein einen genaueren Blick auf das Libretto und zeigt, dass die Damen sich nur allzu gern von ihm verführen lassen, sind ihre Verlobten doch durchweg spießige Langeweiler. Und die Gewaltanwendung erfinden sie, um ihren guten Ruf zu wahren. Karoline Gruber zeigt, dass die Frauen nicht nur Opfer sind, sondern durchaus Ränkeschmiederinnen mit Kalkül. Donna Elvira täuscht eine Schwangerschaft vor, um Don Giovanni zurückzugewinnen, Zerlina ist sogar am Hochzeitstag bereit, ihren Verlobten aufzugeben, allein des vermeintlichen sozialen Aufstiegs wegen. Und für Don Giovanni spielen Gefühle ohnehin keine Rolle, für ihn ist alles nur ein Spiel, eine sportliche Betätigung mit der Absicht, einen neuen Rekord aufzustellen und seine Liste der Verführten zu erweitern. So kann das berühmte Liebesduettt zwischen Don Giovanni und Zerlina auch kein allzu verliebtes Geplänkel mehr sein. Das Heitere hat Gruber so ziemlich ausgemerzt. Auch Leporello ist nicht mehr der lustige Spießgeselle, sondern ein versklavter, gefolterte Diener, der psychische Syndrome zeigt statt sich aus seinen Ketten zu lösen.

Besonderes Augenmerk hat Gruber der Beziehung zwischen Don Giovanni und Donna Elvira geschenkt, die sie in den Mittelpunkt ihrer Inszenierung stellt. Die Anregung dazu hat sie der Erzählung von Odysseus und Kalypso entnommen, in der Kalypso von ihrem Geliebten nicht lassen will. Das gleichnamige Gemälde von Arnold Böcklin, auf dem Kalypso eine Triangel spielt (Hinweis auf die Dreierkonstellation des Mannes zwischen zwei Frauen?), hat daher auch in der Bühnenausstattung eine prominente Rolle. Am Ende muss Don Giovanni auch hier zur Hölle fahren, aber eine Erlösung ist das für die Zurückgeblieben nicht, erscheint das Leben ohne ihn doch irgendwie fade. Donna Anna zieht daraus die Konsequenz und vertröstet ihren biederen Burschenschaftler Don Ottavio auf einen späteren Hochzeitstermin. Man kann sich denken, dass daraus nichts werden wird. Und ob Zerlina ihrem braven, memmenhaften im Popper-Look gekleideten Masetto treu bleiben wird? Wohl kaum. Und so schwirrt Don Giovanni auch nach seinem Tod noch als Phantasma über die Bühne und in den Köpfen herum.

Gruber hat die Sehnsüchte der Figuren psychologisch genau ausgeleuchtet. Eine stimmige, spannende Inszenierung. Die letzte Szene ist allerdings ein wenig zu dick aufgetragen, in der der Komtur nach seinem Tode flugs zum pompösen Kardinal mutiert. Das Orchester agierte eher zurückhaltend wie auch die meisten Sänger, wobei Brigitte Kele als Donna Elvira alle Blicke auf sich zog und auch stimmlich sehr überzeugend war.

Dramma giocoso in zwei Akten KV 527

Libretto von Lorenzo da Ponte

Prager Fassung

Musikalische Leitung: Friedemann Layer

Inszenierung: Karoline Gruber

Bühne: Roy Spahn

Kostüme: Mechthild Seipel

Chorleitung: Gerhard Michalski

Licht: Franz-Xaver Schaffer

Dramaturgie: Alexander Meier-Dörzenbach

Don Giovanni: Richard Sveda

Donna Anna: Liana Aleksanyan

Don Ottavio: Jussi Myllys

Komtur: Hans-Peter König

Donna Elvira: Brigitta Kele

Leporello: Adam Palka

Masetto: Torben Jürgens

Zerlina: Iulia Elena Surdu

Chor: Chor der Deutschen Oper am Rhein

Orchester: Düsseldorfer Symphoniker

Premiere 7.12.2012 - Opernhaus Düsseldorf

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