Umgeben von Aufklärern, Hedonisten, Hypochondern und anderen durch die Krankheit vergeistigten Figuren erliegt Hans Castorp der morbiden Faszination des Orts. Sieben Jahre lang lebt er auf dem „Zauberberg“, bis der Donnerschlag des Ersten Weltkriegs die skurrile Gesellschaft in alle Winde zerstreut.
Ein junger, gesunder Mensch gerät in eine Gesellschaft von Kranken und beschließt dort, selbst krank zu werden. Er möchte teilhaben an der geistigen Aura, die die Todesnähe den Kranken verleiht. Alle Berghof-Bewohner spielen dieses Spiel mit dem Tod, das regelmäßig einen von ihnen vom Spielfeld reißt. Und gestorben wird viel – manchmal diskret und manchmal unter unmenschlichen Schmerzen und Schreien. Mitten in die Niederschrift des Zauberbergs platzt der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Thomas Mann ändert seine Pläne. Das maschinelle Sterben von Verdun rückt das hochphilosophische Spiel, das auf dem Zauberberg betrieben wird, in ein anderes Licht. Das 20. Jahrhundert wölbt sich rückwärts über den Roman.
Thomas Manns Romanfiguren – unter ihnen der Humanist Settembrini, der Jesuit Leo Naphta oder die aufreizend schöne Clawdia Chauchat – stehen archetypisch für die geistigen Tendenzen der Vorkriegszeit. Wie ein neuer Parzifal bewegt sich Hans Castorp durch die Ideenwelten, die den 1924 erschienenen Zauberberg zu einem der bedeutendsten Zeitromane des 20. Jahrhunderts machen. Dass am Ende alle Ideen in die große Leere münden, ist die bittere Pointe des Buchs: das jede Individualität auflösende Stahlgewitter des Ersten Weltkriegs beendet das geistige Wettspiel; auch die Spuren Hans Castorps verlieren sich in den Materialschlachten der Westfront. Das Romanende und der Kriegsausbruch jähren sich 2014 zum hundertsten Mal.
Regie: Christiane Pohle
Bühne: Natascha von Steiger
Kostüme: Sarah Schittek
Musik: Marie Goyette
Dramaturgie: Stephan Wetzel
Maja Beckmann, Paul Grill, Matti Krause, Manja Kuhl, Andreas Leupold, Wolfgang Michalek, Paul Schröder, Marie Goyette