Seit gut acht Jahren riskieren deutsche Soldaten täglich ihr Leben bei Militäreinsätzen fern der eigenen Landesgrenzen. In der Heimat spricht man nicht gerne von Krieg, sondern lieber vom Aufbau ziviler Strukturen und von humanitärer Hilfe. Getötete Soldaten werden zu Helden erklärt und feierlich beigesetzt. Aber wirklich wissen möchte man das eigentlich nicht.
Traumatisierte Heimkehrer fühlen sich im Stich gelassen. Sie können die Bilder des Krieges nicht vergessen, finden nur schwer in ein normales Leben zurück – und sehen sich häufig mit Unverständis und Ablehnung konfrontiert. „Ich verteidige unseren Frieden am Hindukusch, Danksagungen werden gerne entgegen genommen”, schreibt ein junger Soldat 2009 ironisch auf einer Weihnachtspostkarte. Nach ihrer politischen Meinung werden Soldaten nicht gefragt.
Das israelische Autoren-Duo Yaron Edelstein und Dalit Milsthein stammt aus einem Land, das sich permanent im Ausnahmezustand befindet, in dem Krieg Teil der Alltagsrealität ist. Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Fakten, Hintergründen, Fragen und Folgen konkreter Militäreinsätze, haben sie ein Stück geschrieben, das als Parabel übertragbar wird.
Im Zentrum steht eine Handvoll Männer, zusammengefasst in einer militärischen Einheit. Zunächst noch siegessicher ziehen sie in die Schlacht, übertreten Grenzen, bringen Opfer, sterben und töten, werden zu Helden und Krüppeln. Wieviel ist im Krieg ein Menschenleben wert? Was die Männer zusammenhält, ist die Bewunderung für ihren Anführer Berg, inspiriert von der Biografie Ariel Sharons. Die Soldaten vertrauen sich ihm an, legen ihr Leben in seine Hände.
Timo Krstin, junger deutscher Regisseur und Vertreter einer Generation, die Krieg nur von der Kinoleinwand und aus Mediendebatten kennt, inszeniert „Berg” mit fünf Heidelberger Schauspielern, allesamt ohne Militärerfahrung. Es ist der Versuch, sich der Erfahrungswelt des Stücks gedanklich und theatral anzunähern. Was wie ein unbeschwertes Spiel jenseits einer konkreten Gefahr beginnt, droht bald zu entgleiten. Die Mission läuft aus dem Ruder – was folgt, ist ein Blick in menschliche Abgründe. Eindringlich führt „Berg” die Auswirkungen einer Kriegssituation auf die Persönlichkeit der Soldaten vor Augen. Längst fragen Bergs Kämpfer nicht mehr nach dem Sinn ihres Einsatzes, „Für den Sieg!” ist zu einer leeren Parole geworden. Als der Krieg vorbei ist, haben die Männer den Anschluss an ein normales Leben verloren. Der Weg zurück ist abgeschnitten.
Edelsteins auf historischen Fakten basierende politische Parabel wurde in einer szenischen Lesung beim HEIDELBERGER STÜCKEMARKT 10 erstmals in deutscher Übersetzung vorgestellt.
Timo Krstin assistierte u. a. bei Martin Nimz und Simon Solberg. Am Staatstheater Mainz inszenierte er Faldbakkens MACHT UND REBEL und den musikalischen Abend WIR ZWEI, der 2010 zum STÜCKEMARKT eingeladen war.
aus dem Hebräischen von Sharon Nuni
Regie Timo Krstin
Bühne & Kostüme Flurin Borg Madsen
Dramaturgie Nina Steinhilber
Mit Simon Bauer, Klaus Cofalka-Adami, Paul Grill, Natanaël Lienhard, Matthias Rott