Da sitzen in der Kutsche neben dem Großfürsten Kinder. Damit hat Janek nicht gerechnet; er versagt in der Sekunde der Entscheidung. Ein ideologisches Gebäude gerät ins Wanken. Woinow, der nun die Tat verüben soll, bittet darum, die Gruppe verlassen zu können und woanders für die Propaganda eingesetzt zu werden. Nur nicht selber töten müssen. Für Stepan, der in Gefangenschaft war, bedeuten Mitleid, Angst und Liebe eine gefährliche Schwächung der Entschlusskraft. Die Narben auf seinem Körper erzählen von Kälte, Hass und Gewalt. Dora muss am eigenen Leib erfahren, dass ihre Liebe für Janek keinen Platz im Leben hat, wenn beide im Namen der Gerechtigkeit zu sterben bereit sein wollen. Annenkow schließlich hat die schwere Aufgabe, die Gruppe ideologisch und menschlich zusammenzuhalten.
Aber auch die Gegenspieler erhalten bei Camus eine gewichtige Stimme: sei es Foka, ein Gefangener, der Todesurteile vollstreckt, um seine eigene Haftzeit zu verkürzen, Skuratow, der geschickt argumentierende und agierende Polizeipräsident oder die Großfürstin, die den Mörder ihres Mannes im Gefängnis besucht. Camus greift die revolutionären Ereignisse von 1905 in Russland auf, um sehr differenziert über die Legitimation von Gewalt nachzudenken. Er macht es sich und seinen Figuren nicht leicht. Welche Mittel und Möglichkeiten haben wir im Kampf für eine gerechtere Welt? Camus hat sich dieser Problematik immer wieder gestellt. Ein Scheitern, so schmerzlich es für ihn war, hat er in Kauf genommen, der Versuch war ihm wichtig. Seine Fragen sind bis heute ungelöst. Das Theater gibt ihnen Raum, denn die Sehnsucht nach Veränderung bleibt.
Inszenierung: Lutz Gotter
Ausstattung: Tilo Steffens
Es spielen: Beatrice Boca, Nadine Ehrenreich, Nils Thorben Bartling, Lothar Bobbe, Frank Ehrhardt, Nils Hillebrand, Jochen Neupert (a. G.), Dietrich Schulz
Weitere Vorstellung in Esslingen: 15.12. sowie 9.1., 12.1., 18.1., 31.1.