2004 hat die Orangene Revolution die Ukraine für kurze Zeit bei uns salonfähig gemacht. Unsere Fernsehbildschirme bevölkerten junge Menschen, die in Kiew wochenlang in Eiseskälte auf dem Platz der Unabhängigkeit, dem Maidan, ausharrten, um für Demokratie und Meinungsfreiheit zu kämpfen. Als die spektakulären Bilder abgelöst wurden von den Wirren der Realpolitik, und als sich in der Ukraine dann doch nicht alles von einem Tag auf den anderen ändern sollte, verschwand das Land wieder aus unserem Sichtfeld. Heute dominieren – wie auch bei manch anderem osteuropäischen Land – Berichte von Prostitution, Armut und Mafia. Der „Skandal“ um eine allzu lockere
Visumsvergabe durch die deutschen Botschaften trug das Seinige dazu bei.
Dabei war die Orangene Revolution weder Beginn noch Ende einer gesellschaftlichen Bewegung, sondern symptomatisch für einen stetigen Entwicklungsprozess: eine neue Generation ist in der Zeit seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 herangewachsen, eine Generationen mit freiem Zugang zum weltweiten Informationsfluss, eine reiselustige Generation, die sich in Europa und der ganzen Welt umsieht. Sie ist es, die
das Land von unten erneuert, kreativ neue Wege beschreitet und mit Macht den Anschluss an das moderne Europa sucht.
In einem Europa, das von der portugiesischen Atlantikküste bis zum russischen Ural reicht, liegt die Ukraine mitten drin und ist mit seinen 46 Millionen Einwohnern eines der bevölkerungsreichsten europäischen Länder. Dennoch wollen wir ihm aus EUeuropäischer Sicht nur eine marginale Position zubilligen. Wo nun stehen die jungen Ukrainer, wo sehen sie sich selbst? Es lohnt sich, einen Blick über den Tellerrand zu werfen und sie selbst zu befragen. Dies hat die Europäische Ost-West-Akademie für Kultur und Medien e.V. im Herbst 2007 mit einer kleiner Gruppe junger Theatermacher
getan. Gemeinsam sind sie nach Lemberg gefahren, eine Stadt in der Westukraine mit turbulenter Vergangenheit, die im Laufe ihrer Geschichte polnisch, ungarisch, österreichisch, deutsch, sowjetisch und schließlich ukrainisch war.
Die Begegnung mit ukrainischen Romanen, Theaterstücken und Musik, mit
Schriftstellern, Dichtern, Schauspielern und Regisseuren warf Fragen auf, und der Aufbruchsgeist und die unablässige Suche der jungen Lemberger – vor allem auch nach der eigenen Verortung – steckte an. So entstanden zwei Theaterproduktionen und das kleine Festival Junge Ukraine mitten am Rand.
Programm:
10. Oktober 2008
22.00 Uhr Festival-Eröffnung
Russendisko: CD-Release Party Ukraine do America mit DJ Gurzhy im e-werk, kesselsaal
11. Oktober 2008
16.30 Uhr Herr Pilipenko und sein U-Boot
(Dokumentarfilm, D 2006, 90 Min, Regie: René Harder)
anschließend Publikumsgespräch mit dem Regisseur
Lichthauskino
20:00 Uhr Premiere
Die Anbetung der Eidechse oder Wie man Engel vernichtet nach Ljubko Deresch
Regie: Nora Schlocker, Dramatisierung: Eva Szybalski
e-werk, maschinensaal
12. Oktober 2008
16.30 Uhr Autorenlesung mit Serhij Zhadan
17.30 Uhr Autorenlesung mit Halyna Krouk und Ostap Slyvynsky
anschließend Podiumsdiskussion mit Serhij Zhadan, Halyna Krouk und Ostap
Slyvynsky, Moderation: Carola Dürr, Thomas Irmer (tbc)
e-werk, maschinensaal
20:00 Premiere heimatabend. Eine EUkrainische Identitätssuche.
Ein Projekt von Nora Mansmann und Natalie Driemeyer in Kooperation mit Theater
Bonn und dem Deutschen Nationaltheater Weimar, unterstützt durch die Europäische
Ost-West-Akademie für Kultur und Medien e.V.
e-werk, kesselsaal
Filmreihe im Lichthauskino Weimar
Bereits ab dem 07.10.2008 präsentiert das LichthausKino Weimar eine Filmreihe mit
Dokumentar- und Spielfilmen rund um die Ukraine
07. Oktober 2008
19.30 Uhr Dieses Jahr in Czernowitz
08. Oktober 2008
19.30 Uhr Import / Export
09. Oktober 2008
19.30 Uhr Die Mitte
10. Oktober 2008
19.30 Uhr Alles ist erleuchtet
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premiere: die anbetung der eidechse oder wie man engel vernichtet
nach ljubko deresch
Sa, 11.Oktober 2008 / 20.00 Uhr / e-werk / maschinensaal (Premiere)
Nora Schlocker (Regie) / Susanne Winnacker (Dramaturgie) / Jessica Rockstroh (Bühne) / Katja Wetzel (Kostüme)
Mit sechzehn Jahren hat der heute 23-jährige Ljubko Deresch seinen ersten Roman veröffentlicht. Seither wird er als Wunderkind der ukrainischen Literatur gefeiert. Das Werk Die Anbetung der Eidechse spielt im schwülen Sommer des Jahres zwei nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Brütende Hitze im Karpatenstädtchen Midni Buky. Misko sitzt in der Datscha seiner Eltern, liest Edgar Allan Poe und hört Pink Floyd. Mit dem Glatten Hippie, seinem besten Freund, bildet er einen eigenen Kosmos und schottet sich von der Außenwelt ab. Misko erlebt in diesem Sommer mit Dswinka seine
erste Liebe. Die erhabene Natur, die Berge, wissen nichts vom Hass. Eine emotional explodierende romantische Liebesszene, bei der die Blitze am Himmel zucken…alles könnte gut sein, wäre da nicht der Feind.
Als „Brüder und Schwestern im Underground“ ziehen Misko, Dswinka und der Glatte Hippie den Hass von Fedja und seiner Prolltruppe auf sich. Und als die Feindseligkeiten in regelrechten Terror ausarten, schmieden die drei einen Plan. Die zarte Liebe verstrickt sich mit der Angst, sich schützen zu müssen, nicht frei leben zu können in einer Umgebung, die diskriminiert und nicht die Möglichkeit lässt, das Leben nach den eigenen Wünschen zu gestalten. Eine Umgebung, die zum Feind wird, in der man nur zwischen zwei Lebensentwürfen wählen kann: Leiden oder Gegenwehr. Fedja soll sterben! Und so spinnen die Freunde ein Mordkomplott – aberwitzig; surreal. Und die Unschuld ist hin. So werden Engel vernichtet.
"Ich dachte, wie leicht es doch ist: ein Böser zu werden. Aber waren wir wirklich böse Kinder?… Für Sie sind wir blutrünstige Missgeburten, Teufelskinder, die gnadenlos ihren Kumpel... und verdienten Einwohner von Midni Buky, Fedja Kruhowyj, umgebracht haben. Dostojewski schrieb ein ganzes Buch über die Leiden eines Tschuwak, der eine Alte kalt gemacht hat. Wir töteten und fühlten nichts. Die Generation der Gleichgültigen. Die Generation der Alles-scheiß-egal-Typen. Aber so ist es nur nach außen hin. Innerhalb der Mauer existieren wir, ja wir leben sogar. Ob ich das Geschehene bereue? Nein. Ob es mich irgendwie berührt? Nein. Es juckt mich absolut nicht."
(aus Die Anbetung der Eidechse oder wie man Engel vernichtet von Ljubko Deresch)
weitere Termine:
So, 19. Oktober, 20.00 Uhr, e-werk, maschinensaal
Sa, 25. Oktober, 20.00 Uhr, e-werk, maschinensaal
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Montag 14 – 18 Uhr
Dienstag - Samstag 10 – 18 Uhr
Sonn- und Feiertage 10 – 13 Uhr