Einig sind sie sich nur in dem Wunsch, Helena wäre nie geboren worden. Das Morden ist zum Selbstzweck geworden, es gipfelt in der Vernichtung Trojas mit anschließendem Genozid. Die Helden sind tot, die trojanischen Frauen, die überlebt haben, auch Hekuba, Andromache, Kassandra und sogar Helena erleiden die bekannte entfesselte Rache der Sieger und werden als Sklaven verschleppt.
Mit seinem 415 v. Chr. in Athen aufgeführten Drama wirft Euripides einen finsteren Blick in die Tiefgarage der Geschichte. Ganz anders als vor ihm Homer mit dem Heldengesang der Ilias, holt er den mythischen Stoff vom trojanischen Krieg auf den Boden der Realität. Die grauenvollen 24 Stunden, die zwischen der Ilias und der Odyssee, der Heim- und Irrfahrt der Sieger liegen und die, warum auch immer, Homer ausspart und verschweigt, sind bei Euripides Thema. Bei ihm mutieren die Helden zu Schlächtern, die genauso traumatisiert scheinen wie die wehrlosen, aber nicht ganz unschuldigen Opfer. Wo Angst regiert, entsteht das Böse, als erlittenes Leid oder Gewalttat, Opfer und Täter sind zerstörte Seelen, denen Glaube oder Moral abhanden gekommen ist. Die Götter haben sich zurückgezogen. Es gibt keinen Dialog mehr mit den Menschen, keine ordnende göttliche Macht, keinen sinnvollen kosmischen Zusammenhang, dafür aber umso verzweifeltere Versuche, der menschlichen Katastrophe irgendeinen höheren Sinn abzugewinnen.
Als Warnung für die Zeitgenossen waren »Die Troerinnen« gemünzt: Athen stand kurz vor einer kolonialistischen Expedition nach Sizilien, die nur wenige Jahre später den Untergang des führenden griechischen Stadtstaats besiegelte. Als politisch-moralische Reflexion über Verantwortung, Wahrheit und Lüge oder Menschenwürde sind die Fragen, die Euripides aufwirft, für uns um nichts weniger gegenwärtig und drängend.
Regie: Karin Beier,
Bühne: Thomas Dreißigacker,
Kostüme: Maria Roers,
Musik: Jörg Gollasch,
Dramaturgie: Ursula Rühle
Es spielen: Lina Beckmann, Nikolaus Benda, Yorck Dippe, Robert Dölle, Rosemary Hardy, Sachiko Hara, Anja Laïs, Angelika Richter, Rosalba Torres Guerrero und Julia Wieninger
Musikerinnen: Silvia Bauer, Nora Krahl, Yuko Suzuki
Weitere Vorstellungen am 13., 15., 16., 18., 19. und 20. Januar