Der Geschichtsprofessor und seine Frau trainieren ihren Ehekrieg seit zwanzig Jahren, die Einsätze sind hoch – aber nie so hoch, dass man sich vom nächsten Schlag des vertrauten Feindes nicht wieder erholen könnte. Es ist ein gefährlicher Tanz, dessen Reiz in der Möglichkeit liegt, eines Tages zu weit zu gehen.
Martha und George, zwei vom Leben beschädigte, die sich mindestens ebenso sehr lieben, wie sie sich hassen, zerfleischen einander im Kampf um Anerkennung – und wissen doch, dass es niemanden gibt, der sie glücklicher machen könnte. Ihre fulminanten und kompromisslosen Wortgefechte bescherten dem Autor schon bei der Uraufführung 1962 einen Riesenerfolg.
„Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“spielt in einer Nacht. Und in dieser Nacht steht Martha und George Besuch ins Haus. Ein aufstrebender junger Biologe und seine süße Frau werden unfreiwillig zu Schiedsrichtern, Zuschauern und Katalysatoren der gegenseitigen Attacken ihrer Gastgeber – und sind bald selbst mitten drin in einem schnellen Reigen böser Spiele, deren ständig wechselnde Regeln sie nicht beherrschen. Mit der Routine jahrelanger Übung weisen Martha und George einander und ihren Gästen die jeweiligen Rollen zu, verwischen die Grenzn zwischen Wirklichkeit und Illusion – und treiben einander bis zu dem Punkt, an dem die Zerstörung der Wahrheit, auf die sie sich einst gemeinsam geeinigt haben, unausweichlich wird. „Wer hat Angst vorm bösen Wolf” ruft ein Kind. „Niemand” antworten die anderen Kinder im Chor und rennen davon – wer vom Wolf gefangen wurde, wechselt die Seiten und wird vom Gejagten zum Jäger. Albee führt die Idee zum Titel seines berühmtesten Stückes auf den Besuch einer Bar im Jahre 1953 zurück. Er fand den Spruch auf einem großen Spiegel, auf dem die Gäste sich verewigen konnten. „Natürlich meint „Who’s afraid of Virginia Woolf?” wer hat Angst vorm bösen Wolf ... Wer hat Angst davor, sein Leben mit falschen Illusionen zu leben. Und es erschien mir wie ein typischer intellektueller Universitätswitz.” (Edward Albee)
„Emotionalen Extremismus” bescheinigte Truman Capote der Schauspielerin Elizabeth Taylor einst. „Das gefährliche Bedürfnis, mehr geliebt zu werden als selber zu lieben. Es ist derselbe überhitzte Drang, der einen inkompetenten Spieler dazu verleitet, auf jeden Verlust mit noch höherem Einsatz zu reagieren.“ Fast scheint es, als würde er über Martha sprechen, die Frau, die Taylor 1966 an der Seite ihres Ehemannes Richard Burton in der berühmten Verfilmung von Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“spielte.
Deutsch von Alissa und Martin Walser
Regie Dorothea Schroeder
Bühne und Kostüme Jana Denhoven
Dramaturgie Nina Steinhilber
Mit Simone Mende, Jennifer Sabel; Ronald Funke, Matthias Rott
Weitere Vorstellungen: 16., 18. & 23.2.