Gespickt wird die Geschichte, in der Dr. Faust einen Pakt mit dem Teufel eingeht, um sich dessen Macht zu bedienen und schlussendlich Gretchen ins Unglück stürzt, mit „fremden“ Texten. So werden in das Drama von Goethe andere Texte eingewoben, z.B. Definitionen von Persönlichkeitsstörungen oder Bibelstellen über den Jüngsten Tag, die Gretchens Schicksal verdeutlichen oder Texte, die sich ihrer ledigen Schwangerschaft nähern. Durch die Kombination aus altem Stoff und neuem Material entsteht eine durchdachte, kurzweilige freie Umsetzung des Faust I.
Interview mit der Regisseurin Johanna Ullmann
1. Sie sind eine profunde Faust-Kennerin, haben David Mouchtar-Samorais Inszenierungen hautnah mitbekommen. Hat Sie das auf den Stoff gebracht?
Nein, ich habe mich schon etwa ein Jahr vorher damit beschäftigt. Das erste Mal hatte ich die Idee zu einem Faust-Abend noch vor meinem ersten Bewerbungsgespräch hier in Linz. Als ich dann den Spielplan sah, habe ich sehr gehofft, dass ich Faust übernehmen kann und das ist dann glücklicherweise passiert. Das hat mich dem Stoff noch mal näher gebracht.
Übrigens würde ich mich nie trauen, mich eine „profunde Faust-Kennerin“ zu nennen. Ich hab einiges darüber gelesen und mich intensiv mit Faust beschäftigt, aber Faust-Kennerin zu sein, das würde ich von mir nicht behaupten. Dazu müsste ich wohl noch das ein oder andere Jahr Goethes Texte studieren.
2. Was ist für Sie als Theatermacherin faszinierend am Faust-Stoff?
Mich interessiert diese radikale Figur Faust. Er ist besessen von Wissen. Und doch bringt ihn das nicht dorthin, wo er hin möchte. Er würde alles geben, um an sein Ziel zu gelangen. Gleichzeitig weiß man aber nicht genau, was sein Ziel ist. Ich bin ja der Überzeugung, dass er das selbst nicht genau weiß. Natürlich ist auch im Faust Text die Frage aller Fragen versteckt: warum sind wir hier auf der Welt? Und was soll das alles eigentlich? Diese Frage wird wohl immer interessant bleiben und es ist immer faszinierend zuzusehen, wie jemand mit dieser Frage umgeht.
3. Nun ist eisen hand faust ja eine Bearbeitung, es sind einige Texte hineingearbeitet worden. Definitionen von Persönlichkeitsstörungen oder Gedichte die sich Gretchens lediger Schwangerschaft nähern. Was ist vom ursprünglichen Text Goethes noch übrig?
Es ist mehr übrig, als ich ursprünglich wollte. Anfangs dachte ich an eine noch dichtere Textcollage. Aber in den szenisches Proben war dann doch oft klar, dass wir Goethe sehr brauchen und die originalen Stellen wurden zum Teil wieder ausgebaut. Nicht alle „fremden“ Texte haben die szenische Arbeit überlebt.
4. Wie sind Sie auf die „fremden“ Texte gekommen? Warum war es für Sie notwendig, diese noch mit reinzunehmen?
Ich habe während meiner Vorbereitung viel gelesen. Oft bin ich durch Bücher, Interpretationen zu Faust auf andere Schriftsteller gestoßen, die dem Faustschen Themenkreis sehr nahe sind. Ein Schriftsteller ist beispielsweise Michel Houellebecq. Ich habe zwei Gedichte von ihm in das Stück eingearbeitet. Houellebecq hat in seinen Gedichten oft eine gewisse Endzeitstimmung, die gut zu Fausts anfänglicher Tiefphase passt.
Andere Texte in die Arbeit einzuflechten hatte für mich zwei Gründe. Einmal wollte ich dem Zuschauer nicht die Gelegenheit geben, es sich im Versmaß und der Rhythmik dieser Sprache gemütlich zu machen. Die starke Form, die Goethe für seine Texte wählt, wollte ich durchbrechen mit Texten in einem ganz anderen Rhythmus.
Zweitens wollte ich gern meinen eigenen Weg der Interpretation finden und anfangs fiel mir das leichter mithilfe anderer Texte und Sichtweisen. Mit den Schauspielern zusammen hat sich diese Interpretation sehr verdichtet und es war dann mit der Zeit nicht mehr notwendig diese Sichtweise über fremde Texte zu präsentieren. Wir haben dann an vielen Stellen bemerkt, dass es besser geht mit Goethes Original.
5. Die drei Darsteller sind Männer. (Aurel von Arx spielt das Gretchen) Welche Bewandtnis hat es damit?
Mit Mephisto, Faust und Gretchen sehe ich drei unterschiedliche Lebensweisen aufeinander prallen und miteinander darum ringen, wer es nun richtig macht. Diese Lebensweisen waren mir wichtig.
Ich habe bisher zwei Faust-Inszenierungen gesehen und war mit dem Gretchen meist nicht ganz einverstanden. Es ist gar nicht so leicht, aus diesem Mädchen, wie Goethe es darstellt, eine heutige junge Frau zu machen. Mir war aber für diesen Abend wichtig, dass es gar nicht so sehr darum geht, wie Gretchen als Frau wahrgenommen wird, sondern wie sie als Mensch ist. Gretchen wird sehr schnell auf die naive, junge Frau reduziert und diesem Bild wollte ich schon mal etwas entgegenhalten, das so gar nicht in dieses Schema passt. Ich empfinde sie nämlich gar nicht als naiv, sondern als Frau, die sich nimmt, was sie braucht. Leider kann sie nicht früh genug Stopp sagen, jedenfalls nicht bevor es für sie schlecht zu enden droht.
BIOGRAFIE
Johanna Ullmann – Leitung
ist geboren und aufgewachsen in Innsbruck. Gleich nach der Matura begann sie ein Studium der Theaterwissenschaft in Wien. Zur Praxis hingezogen, ließ sie die Großstadt aber nach einem Jahr hinter sich und absolvierte eine Schauspielausbildung in Tirol. Es folgten drei Jahre Engagement am Kindertheater Strombomboli in Hall und mehrere Produktionen, z. B. Warten auf Godot am Tiroler Landestheater, Die Frau vom Meer am Kellertheater Innsbruck oder auch Pirandellos Die Riesen vom Berge am Augenspieltheater Hall. Der Zufall brachte ihr ein Engagement als Regieassistentin beim Tiroler Dramatikerfestival, danach folgten Produktionen am Theater Phönix, am Schauspielhaus Salzburg und bei den Salzburger Festspielen. Nach einigen Jahren in der freien Szene ist sie seit der Spielzeit 2008/09 am Linzer Landestheater als Regieassistentin und Abendspielleiterin tätig.
Inszenierung Johanna Ullmann
Dramaturgie Franz Huber
Raum Florian Parbs
Mit Aurel von Arx, Thomas Bammer und Georg Bonn
Weitere Termine 4. und 17. April; 1. und 22. Mai 2010